088 - Das Dreigestirn der Hölle
Unga.
Der Dicke atmete auf.
„Ys-Aise, ja. Ach, Sie sind das, der sich dafür interessiert! Mademoiselle Dorleac hätte mich darauf vorbereiten sollen, daß ich es mit einem solchen Riesen zu tun habe. Sie haben mir einen ganz schönen Schrecken eingejagt, als Sie so unvermutet auftauchten."
„Machen wir es kurz", sagte Unga. „Was können Sie mir über die versunkene Stadt erzählen?"
„Ich habe sie gesehen!" behauptete der Fettsack. Er erzählte, daß er mit seinem Boot zufällig an eine Stelle gelangt sei, wo das Wasser unnatürlich klar war, so daß er die Ruinen auf dem Meeresboden hatte sehen können. Und er schwärmte von dem phantastischen Anblick, der sich ihm geboten hatte. Er hatte es funkeln und glitzern gesehen, als sei der Meeresboden von Gold und Juwelen übersät gewesen.
„Dort unten müssen ungeheure Schätze liegen!"
„Erzählen Sie mir Einzelheiten", verlangte Unga.
„Oho!" machte der Fremde. „Bevor wir dazu kommen, möchte ich zuerst einmal über meinen Anteil verhandeln. Doch wir haben Zeit. Unterhalten wir uns über persönliche Dinge. Ich möchte Sie besser kennenlernen, damit ich weiß, mit wem ich es zu tun habe. Das verstehen Sie doch?"
Er legte Unga die Wurstfinger vertraulich auf die Schulter und zog dabei den Speichel geräuschvoll ein. Unga wehrte sich nicht dagegen. Er ließ es gelassen mit sich geschehen, daß der Dicke seine Schulterpartie abtastete, als suche er eine bestimmte Stelle… Dabei ging der Atem des anderen immer heftiger. Seine Lippen begannen zu beben, und sein Hals schwoll an und zitterte wie Sülze.
Zur selben Zeit brach einen Stock höher Coco die Unterhaltung mit der Lehrerin abrupt ab.
Dorian hatte seine Gnostische Gemme hervorgeholt und ließ sie pendeln.
„Sehen Sie mir in die Augen, Caroline", sagte Coco beschwörend.
Das Mädchen wich entsetzt zurück. Sie wußte nicht, was es zu bedeuten hatte, daß ihr Cocos Blick psychischen Schmerz bereitete. Sie hatte auch keine Ahnung, warum Dorians Schmuckstück unheimlich auf sie wirkte. Aber irgendwo in ihrem Innern war eine Stimme, die ihr sagte, daß von den beiden eine Bedrohung ausging.
Caroline schrie und wollte flüchten. Dorian verstellte ihr den Weg. Dabei prallte sie gegen seine Gnostische Gemme. Sie zuckte zurück, als habe sie einen elektrischen Schlag bekommen. Als Caroline wieder die Augen öffnete, sah sie Cocos Gesicht ganz nahe vor sich… Cocos Hexenaugen schlugen sie in ihren Bann.
„Die Beeinflussung war nicht sehr stark", sagte Coco zu Dorian. „Aber sie reichte aus, um sie die Befehle des Dämons ausführen zu lassen - und Unga in die Falle zu locken."
„Was haben Sie Unga gesagt?" fragte Dorian eindringlich, während er bereits die Signalpistole überprüfte, die mit Pyrophor-Patronen geladen war. „Wohin haben Sie ihn gelockt?"
Carolines Widerstand war gebrochen.
„Unga trifft sich im Stall mit einem Mann, der bisher unbekannte Informationen über Ys-Aise besitzt", antwortete sie mit monotoner Stimme. „Ich wollte ihm einen Gefallen tun."
Dorian verlor keine Zeit. Er sprang zur Tür und rannte in den Gang hinaus und zur Treppe. Er hatte gerade ihr Ende erreicht, als im Stall ein unheimliches Gepolter ertönte. Dann folgte ein explosionsartiges Geräusch, das sich anhörte, als ob die Luft aus einer unter Hochdruck stehenden Blase blitzartig entwich. Und dann ein Schrei, wie von vielen Stimmen…
Dorian trat die Tür zum Stall auf, die Pyrophor-Pistole schußbereit in der Hand. Aber er wagte nicht zu schießen.
Er sah in der Dunkelheit zwei Gestalten miteinander ringen. Die eine mußte Unga sein. Er stand breitbeinig da, das Kinn auf die Brust gepreßt, die Arme nach unten ausgestreckt.
Seine Hände hatten sich mit stählernem Griff um den feisten Nacken der zweiten Gestalt gelegt. „Der Dreimalgrößte ist dein Richter, ich nur dein Henker!" sagte Unga mit gepreßter Stimme. „Bei ihm ist die Kraft, die stärkste aller Kräfte ", rezitierte er aus der „tabula smaragdina". „Darum wird er Hermes Trismegistos genannt!"
Die Gestalt zu Ungas Füßen verformte sich. Aus einer großen Halswunde quoll ein öliger Schleim, rann in Bächen den aufgeblähten Köper hinunter und versickerte im Stroh des Bodens. Dorian überwand seinen Ekel und sah, daß der vormals fettgepolsterte Körper runzelig wurde und zu schrumpfen begann. Das Gesicht fiel ein, wurde zu einem Totenschädel, der nur noch von einer lederartigen Haut überzogen war. Aus der Halswunde kamen
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