088 - Die Sumpfhexe
Tagen auf der Insel.“
„Ich weiß. Die Männer des Sheriffs waren schon hier und haben nach ihm gefragt. Ich konnte ihnen nicht weiterhelfen, und Tante Doreen auch nicht. Der Sumpf ist gefährlich, wenn man ihn nicht kennt. Es scheint, daß deinem Onkel etwas zugestoßen ist. Hier sind schon viele spurlos verschwunden.“
Ein seltsamer Blick aus den unergründlichen grünen Augen traf Dean. Er lächelte Samantha zu. Dean war groß und schlank. Er sah gut aus mit den schwarzen Haaren, dem sonnengebräunten Gesicht und den blauen Augen. Die meisten Mädchen machten es ihm leicht. Über Schwierigkeiten beim schönen Geschlecht hatte er nie zu klagen brauchen.
„Woher wußte Doreen von den Wracks auf dem Meeresgrund?“ fragte Dean weiter. „Und welche Bewandtnis hatte es mit dem Sarg, der unter den Silberbarren verborgen war?“
„Doreen hat Visionen“, sagte das dunkelhaarige Mädchen, als sei das das Selbstverständlichste auf der Welt. „Manches liest sie auch aus der Kristallkugel, und sie vermag anderen Menschen Trug- und Traumbilder vorzugaukeln. Irgendwann hatte sie eine Vision, die ihr die Wracks auf dem Meeresgrund zeigte. Als ein Mann kam und danach fragte, bezeichnete sie ihm die Stelle.“
„Ohne Gegenleistung? Aus reiner Menschenfreundlichkeit?“
„Doreen hat Launen. Manchen will sie um keinen Preis der Welt einen Heiltrank oder ein paar Kräuter geben, anderen fordert sie keine Gegenleistung und keinen Entgelt ab. Sie ist eben eine merkwürdige, verdrehte alte Frau, aus der niemand klug werden kann. Von einem Sarg auf einer der Galeonen weiß ich nichts. Lagen Knochen darin?“
„Keine Knochen. Ein Toter. Unverwest und unbeschädigt, als habe er gerade erst die Augen geschlossen. Dieser Mann auf dem Meeresgrund war ein Vampir, und er hat meinen Vater getötet.“
Samantha lachte glockenhell.
„Du willst dich über mich lustig machen. Tante Doreen kennt alle Kräuter und Pflanzen in den Everglades. Sie vermag manchmal auch in die Zukunft zu schauen und im Traum weit entfernte Dinge zu sehen. Sie beherrscht ein paar Zaubertricks und hat auch einige übernatürliche Fähigkeiten, die einen normalen Menschen stark beeindrucken können. Aber im Grunde genommen ist das, was sie treibt, harmlos. Die Vorstellung, daß sie einen Vampir auf deinen Vater gehetzt haben soll, bringt mich zum Lachen.“
„Das habe ich nicht gesagt. Ich meinte, sie wußte, daß ein dämonisches Ungeheuer auf dem Meeresgrund ruht. Und sie sagte meinem Vater, wo er die Galeonen finden könne, damit dieses Ungeheuer wieder zum Leben erwachen würde.“
„Nach einem Vierteljahrtausend unter Wasser? Das ist Unsinn. Tante Doreen ist eine harmlose, verschrobene alte Frau, die ganz gewiß nicht mit Dämonen paktiert. Wenn wirklich dieser Sarg unter Wasser war, hat sie nichts davon gewußt.“
„Wenn das so ist, wird Doreen uns sicher helfen, den Vampir zu bekämpfen, der meinen Vater getötet hat.“
„Ich hörte zwar von Vampiren, habe sie aber immer für Fabel- und Märchengestalten gehalten. Irgendein Mittel zu ihrer Bekämpfung kenne ich nicht. Ich kann euch nicht helfen. Wenn ihr Doreen sprechen wollt, dann kommt später wieder, wenn der Weg zur Insel für euch gangbar ist.“
„Wie bist du von der Insel weggekommen?“
„Ich bin durch den Sumpf gewatet. Ich kenne jeden Fußbreit Boden, so daß ich die Marken nicht zu sehen brauche, die den festen Grund anzeigen. Ihr könnt mir nicht folgen, denn es gibt viele Wasserschlangen und Kaimane im Wasser.“
„Warum tun sie dir nichts?“ wollte Dean wissen.
„Ich weiß nicht. Ich bin hier aufgewachsen. Die Tiere kennen mich alle.“
Dean und Corell wechselten einen Blick. Sie sahen, daß sie so nicht weiterkamen. Samantha wirkte völlig unbefangen, und Dean konnte nicht glauben, daß ein so schönes Geschöpf mit einer Hexe im Bunde war, die durch dämonischen Zauber Unheil und Verderben heraufbeschworen hatte.
Der junge Mann war von Samantha bezaubert, deshalb zweifelte er ihre Worte nicht an. Er trat auch nicht mit jener Entschlossenheit auf, die angebracht gewesen wäre.
Der alten Doreen gegenüber hätte er einen anderen Ton angeschlagen. Da wäre er mißtrauischer gewesen.
So aber sagte er: „Möglich, daß es daran liegt: Ich würde dich gern einmal auf die Insel begleiten. Kann ich dich wiedersehen?“
Samantha schien von Dean ebenfalls beeindruckt zu sein, doch sie wehrte ab. „Es ist zu gefährlich. Du kannst mich nur hier treffen.“
Dean
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