088 - Elfentanz und Hexenfluch
Hand am Seil fest, und ich war nach dem mörderischen Aufprall schwer benommen.
Mein Blick hatte sich getrübt, und eine lästige Schwärze versuchte mir in den Schädel zu kriechen. Das war die Ohnmacht. Ich versuchte verzweifelt, sie zu verscheuchen.
Wenn es ihr gelang, sich in meinem Geist einzunisten, von diesem Besitz zu ergreifen, würde auch meine rechte Hand das Seil loslassen.
Und dann…
Die Schlucht wartete geduldig. Wie ein riesiges, gewaltiges Maul kam sie mir vor, weit aufgerissen und meiner völlig sicher.
Ich konnte nicht ewig am Seil hängenbleiben. Die Zeit war auf der Seite des alles verschlingenden Mauls.
Eigentlich hätte das Seil ruhig herabhängen müssen, denn ich bewegte mich nicht. Doch das Seil ruckte und pendelte.
Ich schaute nach oben, konnte meine Begleiter nicht sehen. Sie hievten mich nicht hoch.
Aber, verdammt noch mal, wer bewegte das Seil? Ich schaute nach unten und hatte die Antwort.
Es hing noch jemand am Seil. Ein Käfermann, und er war im Begriff, zu mir hochzuklettern.
Die Gefahr bekam ständig neue Triebe!
***
Denise wollte sehen, was mit Wendel Aldrich passierte. Vielleicht konnte sie helfen: wenn nicht, würde sie umkehren und Hilfe holen.
Der schmale Waldweg krümmte sich, und als das rothaarige Mädchen den Scheitelpunkt der Krümmung erreichte, stockte ihr der Atem. Aldrich war nicht zu sehen, nur zu hören. Er war zugedeckt von klapperdürren Körpern. Schreckliche Weiber hatten den dicken Mann überwältigt und fanden ein Vergnügen daran, ihn zu schlagen.
Auch Denise Perkins hätte beinahe vor Schreck aufgeschrien. Sie biß sich in die Faust, um den Schrei nicht aus ihrem Mund zu lassen und wich Schritt für Schritt zurück.
Nein, hier konnte sie nicht helfen. Die Männer mußten Wendell Aldrich beistehen.
Wie Schlangen schoben sich die Hexen über den Mann. Ständig waren sie in Bewegung. Ein Knäuel aus dürren Leibern lag mitten auf dem Weg, mit Dutzenden Armen und Beinen.
Denise drehte sich um und rannte los, doch die Hexen hatten sie entdeckt. »Ergreift sie!« kreischte eine von ihnen. »Sie darf nicht entkommen!«
Denise lief, so schnell sie konnte, doch die scheußlichen Weiber waren schneller. Innerhalb weniger Augenblicke holten sie das Mädchen ein.
Harte Schläge trafen Denise. Sie stolperte und fiel, und dann waren die Hexen auch über ihr.
***
Wenn ich bloß meinen zweiten Arm hätte gebrauchen können. Es war ein bißchen viel, was das Schicksal mir zumutete.
Unter mir hing ein Käfermann am Seil, und er hatte keine Kraftprobleme.
Meter für Meter zog er sich am Seil hoch. In wenigen Augenblicken würde er mich erreicht haben.
Was konnte ich tun? Nichts!
Wirklich nichts? Ich versuchte den linken Arm zu bewegen, doch selbst mit der stärksten Willensanstrengung gelang es mir nicht.
Der Käfermann streckte sich.
Selbst Arnold Schwarzenegger wäre beim Anblick dieser gewaltigen Muskelpakete vor Neid erblaßt.
Er schien der kräftigste von allen Käfermännern zu sein, und ausgerechnet er hatte es auf mich abgesehen.
Das Ungeheuer griff mit einer Krallenhand nach meinen Beinen. Ich riß sie hoch. Mein Gegner kletterte daraufhin noch ein Stück höher, und nun stieß ich die Beine blitzschnell nach unten.
Ich traf seinen furchterregenden Schädel mit den Schuhabsätzen, erwischte die Zangen und riß ihm einen Fühler ab.
Wenn ich geahnt hätte, wie verrückt er daraufhin spielen würde, hätte ich es nicht getan.
Er gebärdete sich wie ein Wahnsinniger. Die Fühler schienen hochempfindlich zu sein. Der Verlust des einen mußte einen heftigen Schmerz bei meinem Widersacher ausgelöst haben.
Er hieb wie blind um sich. Dabei pendelte das Seil gefährlich heftig hin und her. Ich konnte mich kaum noch daran festhalten.
Das Seil rutschte mir durch die Hand. Ich näherte mich dadurch dem Käfermann. Eine unbeschreibliche Angst durchtobte mich. Ich trat wieder nach dem verfluchten Kerl, sah, daß er sich kaum noch halten konnte, zielte auf den zweiten Fühler und… traf auch ihn.
Der Käfermann ließ das Seil los. Einen Moment schien er in der Luft zu verharren, aber dann stürzte das Monster in die Tiefe.
Und ich hinterher!
Denn ich schaffte es nicht, mich länger am Seil festzuhalten…
***
Die Hexen schlugen auch auf Denise Perkins ein. Es dauerte nicht lange, bis sie den Widerstand des rothaarigen Mädchens gebrochen hatten.
Dann rissen sie Denise auf die Beine. »Wie schön sie ist«, sagte eine zahnlose Vettel neidisch.
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