0881 - Das Kind der Mumie
in deinem weiteren Leben.« Sein Gesicht verschloß sich. »Du solltest den Ratschlag wirklich annehmen. Man muß mich vergessen, obwohl es dir schwerfallen wird. Ich weiß nicht, ob ich dich noch einmal retten kann…«
Seine Worte waren leiser geworden, aber nicht, weil er die Stimme gesenkt hätte, er war zurückgetreten. Mit kleinen Schritten entfernte er sich von Shao, und auch die beiden Aufpasser gingen mit ihm. Sie durchbrachen das Gebüsch, und Shao stellte sich wieder die Frage, ob sie alles nur geträumt hatte.
Sie wußte es nicht genau.
***
Suko spürte, wie seine Unruhe von Sekunde zu Sekunde zunahm, denn die Suche nach Shao hatte bisher keinen Erfolg gezeigt. Obwohl auch Tanner in die Lücken zwischen den abgestellten Fahrzeugen geschaut und auch in die Wagen selbst gesehen hatte, hatte er Shao nicht gefunden.
Einige Male waren sie aufgefallen, weil sie dicht an fremden Fahrzeugen entlangschlichen. Da hatten sie den Besitzern immer erklären müssen, wer sie waren. Also brauchte niemand zu befürchten, daß die Fahrzeuge gestohlen würden.
An der großen Einfahrt trafen sie wieder zusammen, beide sehr geknickt, und sie schauten sich an wie zwei Verlierer. Sie hatten sich an die Seite gestellt, um die ein- und abfahrenden Fahrzeuge nicht zu stören, und ihre Blicke waren auf den würfelförmigen Bau des Hotels gerichtet. Vor dem Hotel zog sich ein breiter Weg hin, der an der linken Seite von einem Buschgürtel begrenzt wurde.
Er wuchs ziemlich hoch, dahinter lag ein kleiner Parkplatz, der an den Hotelgarten grenzte. Die helle Lampe sah aus, als würde sie in der Luft schweben.
»Sie kann sich nicht in Luft aufgelöst haben«, murmelte Suko.
Tanner gab ihm recht. Er tendierte zu einer Entführung.
»Und wer?«
»Keine Ahnung.« Tanner strich über die Krempe seines alten Filzhutes. »Ich gehe ja von anderen Bedingungen aus als du. Du beschäftigst dich mit Dämonen und Geistern, ich habe mit normalen Verbrechern zu tun, und Gründe für ein Kidnapping wird es genug geben. Gerade bei einer Person wie Shao.«
»Kann sein«, sprach Suko vor sich hin. »Nur denke ich noch einen Schritt weiter, und der ist nicht gut.«
»Was meinst du damit?«
»Ganz einfach. Es kann durchaus noch eine Steigerung geben. Du verstehst, was ich damit sagen will?«
»Ja, aber daran glaube ich nicht.«
Suko saugte den Atem durch die Nasenlöcher ein. »Shao hat Feinde, ich habe Feinde. Wir haben etwas gesehen, aus dem wir die richtigen Schlüsse ziehen können, im Gegensatz zu anderen Zeugen, das darfst du niemals vergessen. Menschen, die auf eine bestimmte Art und Weise morden, schrecken auch nicht davor zurück, irgendwelche Zeugen umzubringen. Dieser Junge mit den goldenen Augen ist etwas Besonderes, und er ist vor allen Dingen rücksichtslos. Er geht buchstäblich über Leichen, und er wird auch Shao nicht geschont haben.«
Der nach außen hin so rauhbeinige Tanner spürte, daß Suko etwas Trost brauchte. Er legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Hör zu, mein Freund, so leicht stirbt man auch nicht. Geh davon aus, daß Shao nicht unmittelbar beteiligt ist. Wir werden sie finden. Die Suche hier auf dem Parkplatz war erst der Anfang.«
Suko, der mit seinen Gedanken noch immer woanders war, fragte: »Und wo willst du weitermachen?«
»Ich werde Kollegen alarmieren, die auch in der Umgebung fragen. Es ist nicht sicher, daß Shao auf dem Parkplatz verschwunden ist. Dort drüben siehst du ein Hotel. Vielleicht haben irgendwelche Gäste etwas mitbekommen, da kommt eines zum anderen. Wir sollten jedenfalls alle Möglichkeiten ausschöpfen.«
»So siehst du es.«
»Komm mit.« Tanner faßte Sukos Arm an und wollte ihn über die Straße ziehen, aber er mußte zurückspringen, weil ein Fahrzeug sehr schnell in eine Linkskurve hineinjagte, um auf den Parkplatz zu fahren. Bevor der Chief Inspector sich noch beschweren konnte, wurde der Wagen hart neben ihnen abgebremst. Die Fahrertür flog auf, und einen Moment später staunten beide…
***
Ich hatte den Wagen verlassen, nachdem ich ihn dicht vor Suko und Tanner gestoppt hatte. Daß ich Tanner neben Suko fand, hatte meinen Herzschlag um einiges in die Höhe getrieben, schließlich gehörte er der Mordkommission an, und es lag einfach auf der Hand, daß ich dabei sofort an Shao dachte.
Mit einem wuchtigen Stoß flog die Tür zu. Ich war kreidebleich geworden, verzichtete auf eine Begrüßung und fragte sofort nach Shao.
»Sie ist verschwunden, John«, antwortete
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