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0881 - Das Kind der Mumie

0881 - Das Kind der Mumie

Titel: 0881 - Das Kind der Mumie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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sich an die Chinesin geklammert, als sei sie seine leibliche Mutter. Sie schaute uns über den Kopf des Jungen hinweg an, und ihr Blick bestand auch aus einem einzigen Fragezeichen.
    Sie begriff ebenfalls nichts.
    Kinok hatte uns gehört. Er löste sich von Shao und wischte über seine Augen. So sah er aus wie ein kleiner Junge, der plötzlich sehr müde geworden war.
    Und ich zuckte zusammen.
    Für einen Moment hatte ich mich auf seine Augen konzentriert. Nur der Bruchteil einer Zeitspanne hatte mir das Bild gezeigt, wobei ich mich fragte, ob ich mich auch geirrt hatte, denn seine Augen waren völlig leer gewesen. Düstere, unheimliche Höhlen, eine gähnende schwarze Tiefe, unauslotbar…
    Dann war es vorbei.
    Seine Augen strahlten wieder. Er lächelte sogar. Ich wußte nicht, ob er bemerkt hatte, was ich gesehen hatte.
    Diesmal nahmen wir den Lift. Kinok stand neben Shao. Er hielt ihre Hand umfaßt, lächelte hin und wieder zu ihr hoch, aber er traute sich nicht, sie anzusprechen.
    Ich hätte vieles gegeben, um zu erfahren, was sich in seinem Kopf abspielte. Als ich in die leeren Augenhöhlen geschaut hatte, da war er mir bereits zuvorgekommen. Wie eine Puppe oder eine Figur, die innen leer war.
    Konnte das sein?
    Ich wußte es nicht, aber ich hoffte, daß wir durch seine Erzählungen schlauer werden würden. Seine beiden Leibwächter lebten nicht mehr, er brauchte eine Person, der er vertrauen konnte, und das war Shao nun einmal. Der bärtige Hotelbesitzer stellte keine Fragen, als wir den Lift verließen. Ich ging zu ihm und erklärte ihm, daß die Kollegen bald erscheinen würden, um zwei Tote abzuholen.
    Der Mann mußte sich setzen. »Verdammt, warum bei mir?«
    Ich hob die Schultern. »Weil das Leben oft ungewöhnliche Wege geht und niemanden verschont…«
    »Ja, das sehe ich auch so.«
    ***
    Shao hatte im Wohnraum die Deckenlampe eingeschaltet, und Kinok fühlte sich augenblicklich unbehaglich. Er hatte für einen Moment hineingeschaut, und wieder hatte ich die Leere in seinen Augen erlebt. Auch seine Haut veränderte sich im Schein der Lampe. Sie hatte einen pflaumenfarbenen Ton angenommen, und nach dem Senken des Kopfes hatte der Junge Shao gebeten, das Licht zu dämpfen.
    Sie tat ihm den Gefallen. Schließlich gaben nur zwei Stehleuchten ihren Schein ab, so daß der Raum eine gewisse Gemütlichkeit bekommen hatte. Der Junge blickte sich verwundert um. Wahrscheinlich hatte er eine chinesische Einrichtung erwartet, doch kaum etwas wies auf die Heimat meiner beiden Freunde hin, abgesehen von einigen Tuschezeichnungen, die als gerahmte Bilder an den Wänden hingen.
    »Ich möchte gern etwas trinken, Shao.«
    Sie lächelte ihm zu. »Was denn?«
    »Hast du Tee?«
    »Ich kann ihn kochen.«
    »Ja - bitte.«
    Shao verschwand in der Küche. Kinok saß im Sessel und war mit sich selbst beschäftigt. Er sah so schmal aus, beinahe hilflos, und er war voll und ganz auf Shao fixiert. Uns bedachte er mit keinem Blick. Ich hatte mich in den Schatten gesetzt, wo ein schmaler Sessel mit hoher Lehne seinen Platz gefunden hatte. Suko saß auf der Couch, die Hände auf seine Knie gelegt, und enthielt sich eines Kommentars. Er machte mir einen unsicheren Eindruck, aber so war auch ich. Selbst mir fielen keine Worte ein, mit denen ich Kinok ansprechen sollte. Das Schweigen hatte auch keinen Sinn, und schließlich übernahm ich das Wort.
    »Du stammst aus Ägypten, wie ich hörte…?«
    Kinok schaute mich an. In seinen Augen leuchtete es schwächer. »Ja, das ist meine Heimat.«
    »Aus Kairo?« Die Antwort hatte mich ermutigt, eine weitere Frage zu stellen.
    »Nein.«
    »Darf ich fragen, woher du stammst?«
    Er runzelte die Stirn. »Nicht jetzt, später vielleicht. Ich möchte erst trinken.«
    »Ist schon okay.«
    Shao kehrte mit dem Tee zurück. Sie trug die Kanne in der einen und das Porzellan mit der brennenden Kerze darin in der anderen Hand. Beides stellte sie auf den Tisch und bedachte den wartenden Jungen mit einem warmen Lächeln. »Ich hole nur die Tassen, der Tee braucht noch ein wenig Zeit.« Sie wandte sich an uns. »Ihr auch?«
    Suko und ich waren einverstanden. Auch Shao holte für sich eine Tasse aus dem Schrank. Sie schenkte ein, und schon sehr bald breitete sich das Aroma des Tees aus. Keiner von uns nahm Milch oder Zucker, und Kinok war der erste, der nach der Tasse griff, sie behutsam zum Mund führte und einige Schlucke trank.
    Danach lächelte er, der Tee schien ihm geschmeckt zu haben. Er nahm noch einen

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