0883 - Labyrinth der Kugelhöhlen
mit diesen dürren Ästen pfählen zu können? Wie dumm du doch bist!«
Sie griff mit beiden Händen zu, zog die hölzernen Klingen aus sich heraus, warf sie achtlos zu Boden. »Aber gut, wenn du unbedingt als Erste sterben willst, dann erfülle ich dir diesen Wunsch gerne.«
Die Holzklingen hatten ihre Wirkung natürlich verfehlt, doch Rola registrierte sehr wohl, dass Sinje-Li ein wenig unsicher auf den Beinen stand. Mit dem Schweben war es wohl vorbei. Die Vampirin stürzte sich auf Millisan Tull, deren Augen vor Angst weit aufgerissen waren. Sie sah den Tod auf sich zu kommen.
Rola DiBurn sah das anders, ganz anders! Sie hatte in ihrem Leben so viele Berufe ausgeübt, so viele Jahre zu einem großen Teil auf der Straße gelebt - es gab nichts, was ihr fremd war, wenn es um das Überleben der eigenen Person ging. Absolut nichts.
Auch nicht die Anwendung von Gewalt. Stolz war sie darauf sicher nicht, doch so hatte sie mehr als nur einmal das eigene Fell gerettet, wenn ihr betrunkene oder allzu aufdringliche Burschen ans Leben gewollt hatten. Oder woran auch sonst immer…
Rola dachte in diesem Moment nicht nach, sie agierte. Sie tat es mit dem Biss einer Straßenkatze, unter deren Fell so manche Narbe zu finden war. Sie machte einen flinken Schritt zur Seite, der sie zwischen Sinje-Li und Millisan brachte. Nur den Bruchteil einer Sekunde lang, doch der reichte aus.
Rola DiBurn trat zu. Ihr rechter Fuß schnellte vor, mit aller Kraft, die in ihm steckte. Es war kein unkontrollierter Tritt, keinesfalls. Rola traf exakt den Punkt, den sie anvisiert hatte - mitten auf die Kniescheibe der Vampirin.
Bei jedem normalen Menschen hätte das zum Ende jeder Angriffswut gereicht. Sicher nicht bei Sinje-Li, doch die Wirkung war dennoch erstaunlich. Die Vampirin knickte ein, brach regelrecht zusammen. Doch DiBurn wusste - das war nur ein vorübergehender Status. Jetzt musste sie schnell handeln.
»Alle raus hier - Manja. Millisan… schnell. Nach oben!« Eine bessere Idee hatte sie leider nicht, doch sie mussten Zeit schinden. Vielleicht kam ja Hilfe von außen, doch Rola ahnte, dass dies nur Wunschdenken einer Verzweifelten war. Die Erzieherinnen mochten das auch erkennen, doch sie waren froh, dass Rola die Initiative übernommen hatte.
Sinje-Li, das konnte Rola erkennen, erholte sich bereits wieder. Die junge Frau verfluchte ihren Leichtsinn, sich nicht die einfachsten Spielregeln für solche Situationen beigebracht - besser gesagt, sich bei Artimus oder Zamorra nicht schlau gemacht zu haben, wie man sich diesen Höllenkreaturen erwehrte.
Millisans Stimme klang hinter Rola auf. »Alle draußen - komm, schnell.« Rola zögerte, denn was würde geschehen, wenn die Vampirin sofort die Verfolgung aufnehmen konnte? Man musste sie irgendwie aufhalten - doch womit ? Diese Gedanken wurden im nächsten Moment bereits vollkommen unwichtig, denn Rola blieb beinahe das Herz stehen.
Serhat! Der kleine Junge war den anderen nicht gefolgt und niemand hatte es bemerkt. Ganz ruhig stand er nur wenige Schritte von Sinje-Li entfernt. Und die Blutsaugerin ergriff ihre Chance. Ehe Serhat sich auch nur bewegen konnte, hatte sie ihn gepackt, riss ihn brutal in die Höhe.
»Sieh an… dann bist also du die Nummer eins. Auch recht.«
Rola wusste, dass sie nicht rechtzeitig bei dem Kind sein konnte. Der Kleine war verloren. Doch dies hier schien die Stunde der Überraschungen zu werden.
Serhat war ganz ruhig, wehrte sich überhaupt nicht gegen den harten Griff von Sinje-Li. Fest blickte er der Frau in die Augen.
»Du bist böse.« Sinje-Li hielt inne. Sie schien verblüfft, dass dieses Kind noch nicht vor Angst den-Verstand verloren hatte. »So böse wie die Leute, die Mama und Papa umgebracht haben.« In Sinje-Lis Gesicht war deutlich zu lesen, wie unsicher sie plötzlich wurde. Was brabbelte der Wurm hier?
Serhat war noch nicht fertig. »Es gibt noch viel bösere Sachen… warte, ich zeige sie dir.«
Sinje-Li reagierte überhaupt nicht, als der Junge ganz langsam seinen rechten Zeigefinger ausstreckte, bis der die Stirn der Vampirfrau berührte.
Die Luft um Sinje-Li herum schien zu explodieren! Giftgrüne Funken schossen aus ihren Haaren, ihr gesamter Kopf war von winzigen Entladungen eingehüllt. Die Vampirin riss die Hände vor ihr Gesicht, ließ den Jungen einfach fallen. Rola reagierte sofort. Mit zwei Sätzen war sie bei Serhat, nahm ihn in die Arme, und rannte los - nur hinaus aus dem Raum. Hinter ihr ließ sich Sinje-Li wie
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