0884 - Mondwölfe
Wohnung und schlug die Tür hinter sich zu. Es hörte sich an wie ein Schuß.
Mit dem Rücken berührte Tracy Ralston die Wand. Sie starrte ins Leere. Und sie fragte sich zugleich, ob sie nicht doch nur einen bösen Traum erlebt hatte.
Nein, es war kein Traum gewesen, da brauchte sie nur die Augen zu öffnen und auf den Boden zu schauen, wo sich deutlich genug die Schleimspuren abhoben.
Es gab ihn.
Es gab ihren Mann als Monster.
Ihr wurde übel. Der Weg zum Bad war zu weit. Deshalb ging sie in die Küche und übergab sich in die Spüle. Vor ihren Augen drehte sich alles, die Welt war zu einem Karussell geworden. Mit beiden Händen klammerte sich die Frau an der Kante der Arbeitsplatte fest, um nicht zu Boden zu sinken. Nichts war mehr wie früher, und nichts würde mehr wie früher sein, davon mußte sie einfach ausgehen.
Dieser Gedanke ließ wieder den Schleim in ihr hochsteigen, den sie in die Spüle spie.
Schweißnaß mit aus den Höhlen quellenden Augen kam sie wieder hoch und drehte sich um. Ihr Blick fiel dabei automatisch auf das Küchenfenster, in dem sich ihr Gesicht schwach abzeichnete.
Nein, das war nicht mehr ihr Gesicht, sie sah es als einen gegen das Glas der Scheibe geklatschten Fleck an.
Tracy wußte nicht, wie es weitergehen sollte. Jedenfalls mußte sie irgendwie zur Ruhe kommen. Sie war nie ein großer Fan alkoholischer Getränke gewesen, nun aber brauchte sie einfach einen Schluck. Sie wollte die Wärme des Alkohols in ihrem Magen spüren, denn ihr war kalt, so kalt, wie es nur der Tod sein konnte.
Im Wohnraum fixierte sie die Brandyflasche auf dem Tisch. Auf ein Glas verzichtete Tracy. Sie packte die Flasche und ließ sich dabei in einen Sessel sinken.
Der Schweiß auf ihrem Körper war jetzt zu einer kalten Schicht geworden. Sie klebte wie Leim und war auch in das Gewebe ihrer Kleidung eingedrungen.
Der Brandy tat ihr gut. Er brachte das Feuer von innen, und sie nahm noch einen zweiten Schluck.
Dann stellte sie die Flasche ab. Mit diesem Geräusch kehrten zugleich die Gedanken an den erlebten Schrecken zurück. Sie sah sich wieder im Schlafzimmer stehen und auf das Wesen starren, das einmal ihr Mann gewesen war.
»Es ist noch nicht vorbei!« hatte Dorian gesagt. Jetzt glaubte sie, seine Stimme überdeutlich als Widerhall zu vernehmen. »Es ist noch nicht vorbei…«
Was, zum Teufel, war noch nicht vorbei?
Die Verwandlung. Der Biß damals. Von einem Wolf. Und der Wolf hatte den Keim gesät. Er…
Das Telefon meldete sich. Ein scharfes Tuten. Geräusche, die die Stille brutal zerrissen und Tracy Ralston erschreckten. Sie kam sich fremd vor, denn sie wußte im ersten Augenblick nicht, wo das Telefon in ihrer eigenen Wohnung stand.
Es tutete weiter. Ein Quälgeist, der sich nur abstellen ließ, wenn sie den Hörer abnahm.
Es kostete sie eine wahnsinnige Überwindung, dies zu tun, und der Hörer wäre ihr beinahe aus der schweißnassen Hand gerutscht. Nur durch schnelles Nachgreifen konnte sie ihn halten.
»Ja…«
Das eine Wort preßte sie hervor. Sie hatte sogar damit gerechnet, daß Dorian sie anrufen würde, und dann hätte sie nicht gewußt, was sie ihm hätte sagen sollen.
Es war nicht Dorian, sondern eine fremde und ruhig klingende Männerstimme…
***
Manchmal hat der Mensch Glück, dann wieder Pech. So war eben das Leben, und wir mußten uns mit einer kleinen Pechsträhne herumschlagen, denn bei zwei Anrufen wurde uns erklärt, daß wir uns zum Teufel scheren sollten, weil die Männer der Ehefrauen oder Partnerinnen einfach verschwunden waren, ohne sich abzumelden.
Bei den McKinneys und den Goodis kriegten wir keine Verbindung, und so blieb der letzte Name auf der Liste, unter dem ich mit dem Fingernagel einen Strich gezogen hatte.
Suko kehrte zur Zelle zurück. Er hatte einigen Anrufern klarmachen müssen, daß wir das Telefon dienstlich benötigten, und er blieb in der offenen Tür stehen.
»Wie sieht es aus?«
»Mies.« Ich erzählte ihm, was ich bisher erreicht oder nicht erreicht hatte.
»Und jetzt?«
»Bleib noch ein Name. Dorian Ralston. Aber ich bin trotzdem nicht so pessimistisch, denn daß zwei Typen einfach verschwunden sind, läßt darauf schließen, wie nahe wir dran sind. Es hat sich etwas getan. Die Früchte der bösen Saat sind aufgegangen, und ich gehe einfach davon aus, daß dies auch bei den beiden folgenden so passiert ist.«
»Dann mach mal.«
Ich drückte die Telefonkarte wieder tiefer in den Schlitz und tippte die Nummer.
Es war
Weitere Kostenlose Bücher