0884 - Sklaven der Hölle
DiBurn biss sich auf die Unterlippe. Sinje-Li schien das alles intensiv noch einmal zu durchleben - der Film in ihrem Kopf war zu real, um ihm zu entkommen.
»Ich habe keine Ahnung, wie lange er sich mit mir befasste, doch plötzlich wusste ich, dass es bald vorüber sein würde. Ich starb. Und ich sehnte mir diesen Augenblick wirklich herbei. Aber er kam nicht. Cranston holte gerade wieder zu einem weiteren Schlag aus, als plötzlich ein Schatten zwischen ihm und mir auftauchte. Der Alte hielt mitten in der Bewegung inne, dann hob er regelrecht vom Boden ab, wurde durch die Luft geschleudert. Halb benommen blieb er am Boden liegen. Irgendwer löste mein Handfesseln, fing mich auf, als ich kraftlos zusammensackte. Eine Stimme sagte « Töte ihn… und dann erlöse ich dich von deinen Schmerzen » Ich weiß nicht, woher ich die Kraft nahm, aber ich hielt mich auf den Beinen. Mein Körper war zerschunden, die Schmerzen unerträglich.«
Die Vampirin unterbrach ihre Erzählung, hockte sie erneut mit untergeschlagenen Beinen vor Rola auf den Boden. Ihr Blick war nun wieder klar.
»Ich bin zu dem Kamin gewankt, in dem noch die Hitze der verbrannten Holzscheite gefangen war. An der Wand hing eine kurze Schaufel aus Gusseisen, mit der man das Brenngut umschichten konnte, wenn die Flamme zu versiegen drohte. Die Schaufel war wirklich nicht groß, aber erstaunlich schwer. Daran erinnere ich mich noch genau. Ich habe damit auf Cranston eingeschlagen, immer und immer wieder, bis von seinem Kopf nicht mehr viel übrig war. Dann brach ich zusammen, denn die Peitsche hatte ganze Arbeit geleistet. Ich starb nicht - im Gegenteil. Der Schatten war Zoltan Yorick, mein Clansherr… und als er seine Zähne in meinen Hals schlug, wurde ich neu geboren. Er machte mich zum Vampir.«
Sinje-Li schwieg. Den Rest der Geschichte konnte Rola sich auch so denken, denn sie wusste, dass Yorick Sinje-Li zu einem Raubvampir ausgebildet hatte. Er ließ sie und andere aus seinem Clan für ihn die Sklaven herbeischaffen, die hier auf diesem Markt so begehrt waren. Und mehr noch - die Besten der Besten ließ Yorick auch für andere arbeiten… für einen entsprechenden Lohn natürlich, der in seine Kasse floss. Auch Tan Morano hatte sich ihrer Dienste versichert, was gewiss nicht preiswert gewesen war. Doch bei Morano hatte Sinje-Li die Hoffnung gehabt, er würde sie irgendwann vielleicht aus ihrem Söldnerdasein befreien. Eine trügerische Hoffnung, wie sich herausgestellt hatte.
Rola war relativ unerfahren, was die Mitglieder der Schwarzen Familie betraf, doch so langsam wurde ihr klar, dass es auch hier nur um Macht und Besitz zu gehen schien.
Die Vampirin riss Rola aus ihren Gedanken. »Nun kennst du die Geschichte. Für mich sind die Menschen die wahren Monster. Und komm mir nicht damit, dass nicht alle so sind wie die Cranstons. Selbst wenn das stimmen würde, so interessiert es mich nicht. Ich weiß nur, dass ich nie wieder verlieren will - und wenn, dann werde ich das nicht auf sich beruhen lassen. Du und Van Zant, ihr seid schon so gut wie tot. Vorher werde ich keine Ruhe geben.«
Wortlos verließ Sinje-Li die Hütte.
Rola DiBurn versuchte ihre Handgelenke ein wenig zu massieren, denn die Ketten saßen sehr eng; wenn sie diese Fesseln noch lange tragen musste, würde das schlimme Folgen für ihre Gliedmaßen haben. Doch das war im Grunde ja unerheblich, denn ihr Tod war beschlossene Sache.
Vorher werde ich keine Ruhe geben…
Dieser Satz kreiste in Rolas Gedanken. Er ließ nur eine einzige Konsequenz zu: Sinje-Li besiegen, das reichte nicht aus, denn sie würde immer wie ein böser Schatten über Rola und Artimus schweben, ein Schatten, der irgendwann erneut auf sie niederstoßen würde.
Nein… Sinje-Li musste sterben, endgültig sterben…
***
Der Mann gab einen röchelnden Laut von sich.
Dann beeilte er sich, mit ein paar gestolperten Schritten den Abstand zwischen sich und der Amazone zu verkürzen, die kräftig an der Leine gezogen hatte, weil er nicht Schritt hielt.
Die Würgeschlinge, die um seinen Hals gewunden war, drückte ihm die Atemluft ab, wenn sie gestrafft wurde; das machte sie zu einer beliebten Einrichtung jedes Sklavenführers.
Das Alter des Sklaven war undefinierbar. Ging man von seiner Körperhaltung aus, dann war er ein Greis, denn sein Rücken war gekrümmt, so, als hätte er den aufrechten Gang schon vor vielen Jahren verlernt. Seine nackten Beine und Oberschenkel erinnerten allerdings eher an einen
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