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0886 - Der U-Bahn-Schreck

0886 - Der U-Bahn-Schreck

Titel: 0886 - Der U-Bahn-Schreck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Hülle bekommen hatte.
    Es stimmte.
    Die Frau holte keine Luft. Die Lippen lagen aufeinander, und auch durch die Nase atmete sie nicht ein. Die Hände lagen auf den Oberschenkeln.
    Lady Sarah konnte die Handrücken sehen. Ihre Augenbrauen zogen sich zusammen, denn sie erkannte, daß sich die Haut dort wie eine weißgraue, dünne Schicht über die Knochen zog. Sie sah eigentlich zu alt aus für das junge Gesicht.
    Oder war es eine Täuschung?
    Wieder schlossen sich die Türen. Wenige Augenblicke später fuhr der Zug wieder an.
    Diesmal holte Sarah Luft. Dabei schloß sie die Augen. Urplötzlich erlebte sie einen hitzeartigen Überfall. Alles war anders geworden. Sie hatte ihre innere Ruhe verloren. Sie ging jetzt davon aus, daß neben ihr tatsächlich eine lebende Leiche saß. Was war zu tun?
    Wäre ein Telefon in der Nähe gewesen, hätte sie ihren Freund John Sinclair anrufen können. Aber ein derartiger Apparat war weit und breit nicht zu sehen. Zudem gehörte die Horror-Oma nicht zu den Typen, die ständig mit einem Handy durch die Gegend liefen. Und gefährlich waren diese Dinger sowieso.
    Nein, das hier mußte sie schon allein durchstehen. Sie fühlte sich wie eine Leibwächterin dieser zahlreichen Kinder. Hinzu kam, daß die junge Frau neben ihr nicht mehr so unbeweglich dasaß. Sie hatte den Kopf leicht nach links gedreht, um tiefer in den Wagen hineinschauen zu können, denn dort hatten sich die Kinder verteilt.
    Wählte sie sich bereits ein Opfer aus?
    Bei diesem Gedanken wurde Lady Sarah noch heißer. Vielleicht half es, wenn sie die Person ablenkte, indem sie mit ihr Kontakt aufnahm.
    Es war auch gut, wenn sie den Körper berührte. Sie würde dann fühlen können, ob Leben in ihm steckte, denn jeder Lebendige hatte auch eine gewisse Körpertemperatur, was bei lebenden Leichen natürlich nicht der Fall war. Am leichtesten wäre es gewesen, wenn sie nach der Hand dieser Person gefaßt hätte, das aber traute sie sich doch nicht, es wäre auch zu auffällig gewesen.
    Wie dann?
    Der Zug fuhr schnell, dennoch schwankten die Wagen. Sie zitterten auch, es würde kaum auffallen, wenn jemand mit dem Gleichgewicht Schwierigkeiten hatte.
    Das war die Lösung!
    Sarah Goldwyn wartete eine günstige Gelegenheit ab. Als wieder ein entsprechender Schwung durch den Wagen lief, nutzte sie ihn aus, drückte ihren Körper mit einer heftigen Bewegung nach links und prallte gegen die rechte Schulter und Seite der Frau.
    Sie konnte den überraschenden Stoß nicht ausgleichen, wurde nach links gedrängt, und Sarah Goldwyn spielte die erschreckte alte Frau, denn sie klammerte sich mit beiden Händen am Arm der anderen Person fest.
    Keine Wärme, nichts. Sie hätte sie durch den dünnen Stoff des Mantels spüren müssen.
    Also doch!
    Sarah drückte sich wieder zurück. Es fiel selbst ihr nicht leicht, die Worte auszusprechen, aber sie formulierte eine Entschuldigung. »Bitte, es tut mir leid, der Zug, wissen Sie, junge Frau, und ich bin nicht mehr die Jüngste. Ich…«
    Sie verstummte, denn mitten in ihre Worte hinein hatte die andere Person den Kopf gedreht.
    Sie starrte Lady Sarah an.
    Zum erstenmal schaute die Horror-Oma aus kurzer Distanz in das Gesicht der lebenden Leiche. Sie hatte Mühe, die Gleichgültigkeit zu behalten, denn der erste Blick hatte den Augen der Person gegolten, und in ihnen entdeckte sie kein Leben.
    Sie waren tot.
    Sie waren leer.
    Keine Freude, keine Wut, sondern die völlige Gleichgültigkeit, als wäre es der Person egal, ob sie einen Hamburger aß oder einen Menschen tötete. Gefühle gab es nicht. Auch als sich der breite Mund zu einem kantigen Lächeln verzog, änderte das nichts am Ausdruck ihres Gesichts. Das Tote darin blieb bestehen.
    »Schon gut, Frau…«
    Zum erstenmal hatte Lady Sarah die Stimme ihrer Nachbarin gehört.
    Und dieser Klang paßte zu dem gesamten Ausdruck. Es war im eigentlichen Sinne des Wortes kein Klang, es war nur einfach so dahingesprochen, ohne einen Ausdruck, ohne Emotion.
    Sarah nickte. »Danke.«
    »Für was?«
    »Daß Sie es mir nicht übelgenommen haben.«
    Die Person hob die Schultern. Dabei verschob sich ihr Mantel, der sowieso nicht bis zum obersten Knopf geschlossen war. Sarah bekam einen günstigen Blick in den Ausschnitt. Es sah auch so aus, als wäre die Person unter dem langen Mantel nackt. Das aber stimmte nicht. Sie trug nur ein Oberteil mit weitem Ausschnitt, der einiges von ihrer Haut freigab.
    Narben! Nähte! Muster!
    Mal schief, mal gerade. Als wäre

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