0888 - Angriff auf die Vampirstadt
Lin unmöglich an sich heranlassen. Sie hätte bei jeder Berührung gespürt, wie eiskalt sein Körper war, aus dem jeder Tropfen Blut herausgeflossen war, bevor er sich in etwas verwandelt hatte, das nur noch äußerlich einem Menschen glich.
Nach der verlorenen Entscheidungsschlacht hatte er in Detroit ein neues Leben angefangen und schnell eine neue Stelle gefunden. Selbst Lin hatte sich wieder etwas gefangen. Die Walkers waren vor allem ihre Freunde. Thomas betrachtete das gemeinsame Essen mit ihnen als notwendiges Ärgernis. Ansonsten hätte er den beiden nervtötenden Spießern liebend gern mit seinen Wolfszähnen die Kehle aufgerissen.
Jack war ein aufgeblasener Wichtigtuer, der bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit mit seinen Aktiengewinnen prahlte, und Karens Kenntnis der Welt beschränkte sich auf das, was sie aus Modemagazinen und Diätkursen erfuhr. Jetzt glotzte sie ihn mit ihren großen Kuhaugen an und grinste dümmlich. »Warum isst du denn gar nichts, Thomas? Lin hat so phantastisch für uns gekocht.«
»Ja, das hat sie«, strahlte Thomas zurück. »Leider habe ich mir heute Mittag entsetzlich den Magen verdorben. Mir wird ganz flau, wenn ich nur ans Essen denke.«
Tatsächlich war es einem Tulis-Yon unmöglich, normale Nahrung zu sich zu nehmen. Allein bei der Vorstellung drehte sich Thomas Chen der Magen um. Lin hatte sich längst damit abgefunden, dass ihr Mann seit Jahren nicht nur das Bett, sondern auch den Tisch nicht mehr mit ihr teilte. »Ich habe bereits im Büro gegessen«, war sein Standardsatz, und irgendwann hatte sie aufgehört, auch nur zu fragen.
Vermutlich kam es Lin komisch vor, dass sie ihren Mann seit Jahren nichts mehr essen oder trinken gesehen hatte, doch sie betäubte ihre Zweifel mit Tabletten und Alkohol. Außerdem schlief sie mit Jack, bei dem sie sich die Zärtlichkeiten holte, die ihr ihr Ehemann seit Jahren verweigerte. Die beiden glaubten tatsächlich, Chen hätte nichts davon bemerkt, dabei hatte es ihn einfach nicht interessiert.
Lin mochte eine zutiefst unglückliche Ehebrecherin sein, aber wenn es darum ging, die bürgerliche Fassade aufrecht zu erhalten, war sie eine mindestens so gute Schauspielerin wie ihr Mann. Nur wer genau hinhörte, bemerkte, dass ihr Lachen etwas zu laut und gekünstelt klang, wenn sie über einen der billigen Witze von Jack lachte.
Lin schenkte ihren Gästen gerade Rotwein nach, als Chen den Ruf hörte. Ein Stromstoß schien durch seinen Körper zu fahren und ihn nach Jahren des sinnlosen Dahinvegetierens zurück ins Leben zu reißen. Es war kein zielgerichteter Ruf, so wie damals, wenn der Götterdämon seine Befehle ausgesandt hatte. Es fühlte sich mehr an wie ein Echo, ein leiser Nachhall.
Aber es kam eindeutig von Kuang-shi.
Ein Weinglas fiel um. Thomas hatte es versehentlich umgestoßen, als ihn der Ruf erreichte. Der Tulis-Yon nahm kaum wahr, wie sich der rubinrote Inhalt über Karens ebenso teures wie geschmackloses Kleid ergoss. Das Glas zerbrach klirrend am Boden.
»Oh Gott, mein Kleid! Das hat ein Vermögen gekostet«, schrie Karen.
Lin griff nach einer Serviette und versuchte hektisch, den Wein vom Kleid wegzutupfen. »Thomas, was hast du dir nur dabei gedacht? Sieh, was du angerichtet hast! Es tut mir so leid, Karen«
Aufgebracht stieß Karen Lin von sich. »Schon gut, Liebes. Das nützt jetzt auch nichts mehr. Komm, Jack, wir gehen. Mir ist der Appetit gründlich vergangen.«
»Ihr bleibt!«, sagte Thomas Chen ruhig.
Karen starrte ihn an. Ihre Unterlippe zitterte vor Zorn. »Was hast du gesagt?«
»Ihr bleibt. Gerade habt ihr euren Hunger gestillt. Jetzt bin ich dran.«
Unvermittelt verwandelte sich der Tulis-Yon und zeigte sein wahres Gesicht, Lin Chen schrie hysterisch auf, als sich der Schädel ihres Mannes in einen Wolfskopf verwandelte. Ein dunkles, gieriges Knurren entwich seiner Kehle, als der Wolfskrieger seine vor Angst gelähmten Opfer taxierte.
Dann siegte bei Karen der Überlebensinstinkt und sie rannte los. Thomas war mit einem Sprung bei ihr und riss ihr mit den messerscharfen Nägeln seiner zu Klauen verkrümmten Finger die Kehle auf. Karen sah ihn ungläubig an, dann sackte ihr Köper leblos zusammen.
»Thomas, bitte…« keuchte Lin.
Der Wolf sköpf ige verzog seine Lippen zu einem bösartigen Grinsen. »Thomas ist tot, meine Liebe. Und das wirst du gleich auch sein. Aber keine Sorge, dieser Zustand ist nicht von Dauer. Schon bald werdet ihr wieder auferstehen und die Armee unseres
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