0888 - Angriff auf die Vampirstadt
vom Äußeren der Festung zeigten. Und tatsächlich waren auf einem der Monitore gut 30 Gestalten zu sehen, die sich langsam der immer noch unsichtbaren Festung näherten.
»Menschen«, stieß Keran irritiert hervor. »Das ist unmöglich.«
»Vielleicht lässt die abschreckende Wirkung der dämonischen Aura nach.«
»Unsinn! Selbst ich kann sie spüren. Jeder normale Mensch müsste schreiend weglaufen!«
»Vielleicht sind sie immun?«, schlug Werkar unsicher vor.
»Über 30 von ihnen? Mach dich nicht lächerlich.«
»Oder sie hatten einen Unfall und haben sich verirrt.«
Keran musste zugeben, dass die Männer und Frauen außerhalb der Festung tatsächlich ziemlich desorientiert und verloren wirkten. Einige humpelten und wurden von anderen gestützt. Vielleicht hatte Werkar Recht, und es handelte sich wirklich nur um eine verunglückte Reisegruppe. Anderseits wusste niemand besser als ein Gestaltwandler, wie trügerisch eine harmlose Oberfläche sein konnte.
Egal, sie würden es herausfinden. Tatsächlich freute sich Keran fast über die Abwechslung. So treu er seinem Herrn Lucifuge Rofocale ergeben war, so öde war manchmal der endlose Wachdienst in dieser Festung der Einsamkeit. Die Shi-Rin waren Krieger, und es konnte nicht schaden, ihre kriegerischen Fähigkeiten ab und zu etwas zu testen.
Ein Risiko gingen sie dabei kaum ein, schließlich war der Ruf der Gestaltwandler als fast unbesiegbare Kämpfer in den Schwefelklüften legendär. Da konnten sie ruhig ein bisschen Spaß haben.
»Sie kommen direkt auf uns zu. Gleich laufen sie gegen die Wand.«
Keran lächelte. »Dann wollen wir sie mal etwas erschrecken. Öffnet das Tor!«
Auf dem Bildschirm sah er, wie die Menschenwesen erschrocken zurückwichen, als sich mitten im Nichts ein Portal öffnete und dahinter einen Raum offenbarte, den es dort eigentlich gar nicht geben durfte. Doch schließlich siegte ihre Neugier, und sie traten zögernd ein. Zu spät bemerkten sie, dass sie in die Falle getappt waren, als sich hinter ihnen das Portal blitzschnell wieder schloss. Das entsetzte Schreien und Wimmern war Musik in Kerans Ohren. Sie begleitete ihn, als er mit einem Dutzend seiner Getreuen den Kontrollraum verließ und durch eine unsichtbar in die Wand eingelassene Tür die Vorhalle betrat.
»Gott sei Dank«, sagte ein gut gekleideter junger Asiate, der eine stark humpelnde Frau stützte. »Unser Bus hatte einen Unfall. Bitte, wir brauchen Hilfe…«
Kerans Lächeln wurde noch breiter. Der Gestaltwandler wusste, dass er äußerlich wie ein gutmütiger älterer Herr wirkte. Schon mancher hatte diesen Irrtum bitter bereut.
»Keine Sorge, wir werden uns um euch kümmern«, sagte der Shi-Rin und ließ die Maske fallen. Blitzartig verwandelten sich seine Arme und das Gesicht in tentakelartige Auswüchse. An der Spitze der oberen Extremität befanden sich zwei schmale Augenschlitze und ein mit spitzen Zähnen bewehrtes Maul.
Irritiert stellte Keran fest, dass die Verwandlung nicht den erwarteten Effekt hatte. Normalerweise starben seine Opfer allein bei seinem Anblick fast vor Angst. Doch der junge Asiate lächelte nur.
»Dann sind wir hier wohl richtig«, sagte er gelassen. Dann verwandelte sich sein Gesicht in eine geifernde Wolfsfratze, und Keran wusste, dass er einen Fehler gemacht hatte.
***
»Wie geht es dir?«, fragte Fu Long.
Zamorra überlegte einen Moment, bevor er antwortete. »Als wäre ich über Nacht zehn Jahre älter geworden. Aber für einen Unsterblichen ist das eigentlich gar keine so lange Zeit.«
Tatsächlich konnte sich der Dämonenjäger wieder an alle Details seines Lebens in Choquai erinnern. An seine Ankunft als Fremder ohne Gedächtnis, der als Mensch zum dritten Hof zauberer des legendären Vampirreiches aufgestiegen. An seine bizarre Freundschaft zu Kuang-shi. Und natürlich an Shao Yu. Aber Fu Long und Gryf hatten dafür gesorgt, dass der Schock der Erinnerung abgedämpft wurde. Die Ereignisse der Vergangenheit wirkten wie in Watte gepackt - so als sei sein Leben in Choquai viele hundert Jahre her.
Und in gewisser Weise stimmte das ja auch.
»Soll ich dem alten Mann einen Rollstuhl holen, oder nippst du lieber gemütlich an deiner Schnabeltasse, während wir den Tulis-Yon den Hintern versohlen?«, fragte Nicole grinsend. Die Französin wurde erstaunlich gut mit der Situation fertig. Seit ihrer Aussprache waren die dunklen Wolken verflogen und sie wirkte wieder so keck und tatendurstig wie immer.
»Es geht schon, wenn du
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