0888 - Bis die Würmer dich zerfressen
daran, daß er etwas brachte. Der Priester hatte sich aus seinem Reich zurückgezogen. Es sah aus wie eine Flucht und wirkte zugleich so, als hätte er den Weg für jemand anderen freigemacht.
Aber für wen?
Das war die große Frage. Ging es tatsächlich um Amero, oder spielten noch andere Kräfte mit, die sich hier im Ort zusammengefunden hatten.
Die ungewöhnliche Atmosphäre hatten wir schon bei unserer Einfahrt gespürt, auch die hier in der Kirche kam mir anders vor. Ich kannte mich da aus, denn ich war oft in Kirchen, und ich war auch stets von der dort herrschenden Ruhe positiv berührt worden. Auch hier umgab mich die Stille, doch um sie zu erfassen, mußte ich sie anders beschreiben. Sie war nicht beruhigend, sie wirkte bedrückend und beklemmend. Sie war dicht und lauernd, als würde sie etwas Bestimmtes verstecken.
Gegen die Scheiben der schmalen, langen Fenster drängte sich die äußere Dunkelheit. Da lauerte die Nacht, und auch sie barg zahlreiche Gefahren.
Ich ging vor bis zum Altar und schaute ihn mir genauer an. Durch das Fehlen des Tabernakels wirkte er nackt und bloß. Die Flammen der beiden Kerzen erzeugten Schatten, und ich sah mich selbst ebenfalls als Schattenriß auf dem Boden.
Eine kreuzlose Wand. Ein dunkler Boden. Zwei einsame Lichter und ein ebenfalls einsamer Mann.
Ich drehte mich und schaute dem Eingang entgegen. Das Holz der Bänke gab ein mattes Schimmern ab. Nur die ersten waren zu sehen.
Weiter hinten deckte die Dunkelheit sie zu.
Die Stille zerbrach, als Suko zurückkehrte. Er ging schnell, und seine Tritte hinterließen Echos. Den Priester hatte er nicht bei sich. »Keine Spur von de Luca, John. Wir haben einen Fehler begangen. Wir hätten ihn bei unserer ersten Begegnung intensiver fragen sollen. Jetzt ist er nicht mehr da, und es kommt mir vor, als wäre er tatsächlich geflohen. Dieser Amero scheint überall präsent zu sein.«
»Aber nicht körperlich.«
»Spielt das eine Rolle, John? Amero und die Angst. Ich bin sicher, daß beide zusammengehören. Und wenn der Priester schon verschwunden ist, was ist dann mit den anderen Menschen hier in Los Cantos geschehen? Sind sie auch geflohen oder noch hier?«
»Die haben sich in den Häusern versteckt.«
»Bist du sicher?«
»Ich gehe davon aus.«
»Ich nicht«, erklärte Suko. »Es hat keinen Sinn, wenn wir hier noch länger herumstehen. Wir sollten die Suche nach dem Pfarrer trotzdem nicht aufgeben, finde ich.«
»Und wo willst du anfangen?«
»Weiß ich auch nicht. Jedenfalls schauen wir uns um und beginnen hier nahe der Kirche.«
»Wie du willst.«
Suko zog die Tür auf. Er verließ den kleinen Bau vor mir, und wir traten wieder hinein in die andere Dunkelheit. Unser Wagen stand dort wie ein Windfang. Heinz Hollmann war wieder hineingeklettert, hatte aber die Tür einen Spaltbreit offengelassen, so daß die Innenbeleuchtung brannte. Er schaute durch die Frontscheibe dorthin, wo der Abbé stand, als wäre er in tiefste Gedanken versunken. Den Kopf hielt er gesenkt, die Hände leicht vorgestreckt, und beim Näherkommen entdeckten wir den Würfel auf seinen Handflächen.
Er war wie in tiefer Trance versunken. Wahrscheinlich hatte er Kontakt zu den Kräften des Würfels aufgenommen. Schon einmal hatte ihm der Würfel eine Botschaft übermittelt, und die hatte letztendlich dafür gesorgt, daß Suko und ich nach Spanien geflogen waren.
Wir sprachen ihn nicht an, blieben in respektabler Entfernung stehen und warteten ab, was uns der Abbé zu melden hatte. Er stand im Kontakt mit dem Würfel. Wir konnten die hellen, schlierenartigen Würmer sehen, die sich in ihm befanden. Sie bewegten sich dort, sie waren die Boten, die den Kontakt zu dem Träger des Würfels hielten. Sie gaben ihm auch die Informationen, sie waren auf der einen Seite rätselhaft und auf der anderen top.
»Bon, ihr könnt kommen«, murmelte der Abbé. Er streichelte noch einmal über den Würfel hinweg und ließ ihn dann verschwinden. Die Jackentasche war groß genug, um ihn fassen zu können.
»De Luca ist verschwunden«, meldete Suko.
Bloch war nicht überrascht. »Das habe ich mir gedacht.«
»Ach ja? Warum?«
»Ganz einfach. Er muß die Gefahr gespürt haben, die sich hier zusammenbraut.«
»Du kennst sie auch?«
Bloch schüttelte den Kopf. »Nicht genau - leider.« Er schaute sich um.
»Ich weiß, daß sie in der Dunkelheit lauert, die ihr einen großen Schutz gibt. Ich hatte Kontakt mit den Kräften des Würfels. Ich spürte die
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