0889 - Der Robot-Vampir
waren ebenfalls vorhanden, und das Bett sowie der Schrank standen im Rücken des Jungen.
Noch vor einem Jahr waren die Wände mit den Bildern der Superhelden beklebt gewesen. Das hatte sich verändert. Jetzt bedeckten Plakate mit den neuesten Errungenschaften der Computer-Industrie die Wände. Er hatte eben eine gewisse Entwicklung durchgemacht, und das allein zählte.
Leise schloß er die Tür. Über den weichen Teppichboden ging er auf seinen Arbeitsplatz zu und an ihm vorbei, denn es gefiel ihm nicht, daß die Vorhänge noch offen waren. Niemand sollte in sein Reich hineinschauen können, wenn er sich vor den Apparat setzte, um einzutauchen in eine faszinierende Welt, die ihm die CD-ROM eröffnet hatte.
Nicht jede CD-ROM, sondern eine bestimmte, eine ganz bestimmte, die er sogar kostenlos bekommen hatte. Jemand hatte sie ihm geschenkt, als er über einen Trödelmarkt gegangen war. Er konnte sich an den Mann nicht erinnern, er hatte ihn zwar gesehen, aber das Bild war aus seinem Gedächtnis gelöscht worden.
Ein düsteres Gesicht, eine Gestalt wie ein Schatten, mehr war da nicht gewesen.
Aber er hatte das Erbe, die CD-ROM. Und noch nie in seinem Leben hatte er so etwas erlebt. Das war keine digitalisierte Welt mehr, das war schon etwas Besonderes, das war Zukunft, da vermischten sich Zeiten und Welten, und Till wußte nicht mehr, ob er die Wirklichkeit erlebte oder etwas anderes, das in die Realität hineingetaucht war und von ihr Besitz ergriffen hatte.
Jedenfalls war es faszinierend, und zugleich eine Faszination des Bösen.
Das aber wußte er nicht genau, er kam damit nicht zurecht, die Begriffe Recht und Unrecht verwischten bei dem Zwölfjährigen, und er sah sich zwischen den Fronten.
Aber er würde nie aufhören wollen. Es hatte ihn gepackt, und es würde ihn so leicht nicht loslassen.
Ein Leben lang nicht, denn die Technik ging weiter, immer weiter, und er, Till Wesley, wollte daran teilhaben.
Der Junge ließ sich auf dem Drehstuhl nieder. Es war ein bequemer Stuhl, in der Höhe verstellbar und auch gut gepolstert. Sein Vater hatte ihm das Möbel bei seinem letzten Besuch gekauft, weil er der Meinung war, daß man gut sitzen mußte, wenn man schon so viel Zeit vor dem Computer verbrachte.
Ein seufzender Atemzug drang aus Tills Mund, als er den Platz einnahm und dann die Beine ausstreckte.
Noch war der Computer kalt. Ein fremdes Stück Welt, vor dem der Junge saß, das er aber bald mit Leben erfüllen wollte.
Er schaltete den Computer ein.
Ein leises Summen erklang.
Eine Melodie, zumindest für ihn…
Er lächelte.
Und er war bereit, in die neue, faszinierende Welt einzutauchen. Sie manipulieren zu können. Sich gleichzeitig von ihr mitreißen zu lassen. Hineinzugleiten in das Grauen.
Er würde den Tod auf die Reise schicken.
Hier und draußen…
***
»Es ist lange her, daß du bei mir gewesen bist«, sagte Glenda Perkins, als ich mich gesetzt hatte.
»Wie lange?«
»Monate.«
»Dann gib wenigstens zu, daß du mich vermißt hast.«
Sie ging zur Tür, warf mir dabei einen schrägen Blick zu und verschwand aus dem Raum. Ich wußte, daß sie in der Küche frischen Kaffee kochen würde. Die Zeit nutzte ich, holte mir das Telefon herbei und rief Suko an, denn er mußte ebenfalls informiert werden.
Natürlich war er überrascht, als ich ihm von den Vorgängen berichtete. »Was kann man denn da tun?«
»Ich weiß es nicht.«
»Und du hast auch keine Ahnung, wie der Killer und sein Opfer verschwinden konnten?«
»Bis jetzt noch nicht.«
»Dann bleibt die Magie.«
»So ist es.«
Ich hörte Suko scharf atmen. »Verdammt noch mal, das kann in die Hose gehen.« Er räusperte sich.
»Stell dir vor, dieser Killer mordet weiter. Es ist jemand, der erscheint und dann wieder verschwindet. Er taucht unter, er rutscht hinein in seine Welt, aber keiner von uns weiß, wo diese Welt liegt, zum Teufel!«
»Teufel ist nicht schlecht.«
»Du denkst, daß er…«
»Ich denke erst mal gar nichts, Suko. Ich will nur herausfinden, was da geschehen ist.«
»Wo bist du denn?«
»Bei Glenda.«
Er schwieg. Wahrscheinlich staunte er auch. »Soooo«, dehnte er nach einer Weile.
»Sie kann in Gefahr sein.«
»An etwas anderes habe ich auch nicht gedacht.«
»Klar, wie auch…«
Er lachte. »Mich brauchst du im Moment nicht. Obwohl sechs Augen mehr sehen als vier.«
»Nein. Sollte es soweit sein, sollte sich irgend etwas ereignen, gebe ich dir Bescheid.«
»Aber verlange nicht, daß ich wach
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