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0889 - Eishauch des Todes

0889 - Eishauch des Todes

Titel: 0889 - Eishauch des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Montillon
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durch, klinkte sich wieder ein und beobachtete den Mord an Marcel Leclerque.
    ***
    Ein Ruck zurück, das Bild gefriert: Die zwei Männer sehen sich ähnlich, zweifellos - jeder würde das bestätigen, nicht nur der neutrale Beobachter, der die Zeitschau anwendet. Dennoch gleichen sie sich nicht so sehr, wie das der schockierte Jacques Leclerque in seinem von Drogen, Übelkeit, Verzweiflung und Entsetzen aufgewühlten Gehirn denkt. Eher sind die beiden Männer, der Killer und sein Opfer, wie Brüder. Sie ähneln sich, doch ebenso augenfällig sind die markanten Unterschiede.
    Stop and go, das Video aus der Vergangenheit: Der Zeigefinger krümmt sich um den Abzug, das tödliche Dum-Dum-Geschoss schmettert in den Schädel des Opfers und zerreißt den Hinterkopf zu einem blutigen Etwas. Der Tote kann nicht einmal begriffen haben, dass er starb. Blut, Knochen-
    Splitter und ein weißlich-gräuliches Etwas regnen fontänenartig davon.
    Ein Schwenk, die Verfolgung startet: Der Killer legt den Kopf in den Nacken und breitet die Arme aus. Als wolle er etwas empfangen. Diese Geste kann kein Zufall sein. Aus dem Toten löst sich etwas, ein schillerndes, weißliches Nebelgespinst. Davon wird der Zeuge nie etwas aussagen, vielleicht weil er es nicht bemerkt, vielleicht weil er es für zu unglaubwürdig hält. Womöglich befürchtet er, er könne sich noch verdächtiger machen, als er es ohnehin schon ist.
    Das Amulett-Abbild der Zeit folgt, um den Killer nicht zu verlieren: Mit weiten Schritten geht der Mörder in Richtung der hinteren Mauer des Hofes. Noch ehe er den ersten Schritt vollendet hat, sieht der Beobachter, dass sich das Gesicht verändert hat. Es gleicht dem Toten nun viel mehr als noch zuvor. Die Augen sind viel ähnlicher, die Nase so fein modelliert, dass jede Pore der Haut zu sehen ist, als der Beobachter das Zeitschaubild heranzoomt. Mit einem einzigen Satz springt der Killer an der Mauer in die Höhe, packt mit beiden Händen die Oberkante und zieht sich daran weiter hoch, bis er darüber schwingt.
    Ein erneuter Ruck zurück, Fokus auf das Nebelgespinst: Der Beobachter hat sich nicht getäuscht. Das diffuse Etwas fliegt aus dem toten Leib, als werde es von dem Mund des Killers angesaugt. Es huscht auf den Mörder zu, rast seinem Gesicht entgegen und verschwindet zwischen den Lippen. Dann erst legt er den Kopf in den Nacken und…
    Blickwinkeländerung, Zoom:… und das Gesicht verändert sich. In rasender Geschwindigkeit gleicht es sich dem des Toten an. Abbruch und…
    ***
    ... ausatmen.
    Zamorra schwindelte, er wankte und stützte sich mit Mühe an der Haus wand ab.
    »Was machnse da?«, schnauzte ihn eine dumpfe Stimme an.
    André, der Wirt.
    Hatte er ihn also doch nicht so ohne weiteres auf seinen Hinterhof gehen lassen; nicht ohne ihn zu beobachten, zumindest.
    »Es geht schon«, murmelte der Parapsychologe und appellierte dann an die Einfältigkeit des Wirts: »Die Trauer um meinen Freund hat mich überwältigt.«
    André gab ein Brummen von sich, schüttelte kaum merklich den Kopf und sagte dann bemüht höflich und plötzlich ohne eine Spur von Nuscheln: »Vielleicht ist es besser, wenn Sie jetzt verschwinden. Ich hatte schon genug Ärger. Wenn das so weitergeht, bekomme ich noch Probleme mit der Polizei.«
    Als ob du die nicht schon längst hättest , dachte Zamorra, schwieg aber. Er nickte nur, ging durch den Toilettenflur, auf dem es noch erbärmlicher als vor wenigen Minuten nach Urin stank, und verließ die schäbige Kneipe auf Nimmerwiedersehen.
    Draußen ging er um das Gebäude herum, passierte noch das Nachbarhaus und quetschte sich durch den schmalen Freiraum zwischen einer Außenwand und einer Mauer, die über und über mit Moos und Unkraut bewachsen war.
    So gelangte er an jene Stelle, die hinter der Außenmauer des Hinterhofs lag, über die sich die Killerpuppe nach dem Mord zurückgezogen hatte. Das Amulett war noch auf jenen Moment geeicht, in dem Zamorra von der anderen Seite der Mauer die Flucht des Mörders beobachtet hatte.
    So dauerte es nur Sekunden, bis er in seinem Geist und im Zentrum der Silberscheibe sah, wie sich die Puppe über die Mauerkante schwang. Sie landete scheinbar direkt vor Zamorras Füßen, greifbar nah und doch durch einen Abgrund der Zeit unendlich weit entfernt.
    Der Dämonenjäger begann mit der Verfolgung. Zu seinem Glück hatte sich die Puppe nur zu Fuß fortbewegt und nicht etwa ein eigenes Fahrzeug oder Taxi benutzt - in diesem Fall hätte er sie zweifellos

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