0891 - Knochenklaue
hob einen Finger. »Das ist nicht schlecht, Ann. Es gibt nicht viele junge Männer hier in Ripon, die strebsam sind.«
»Tja, mal sehen.«
»Bis in einer Woche, Ann!« Mrs. Lancaster verließ den Laden.
»Ja, alles Gute, und grüßen Sie Ihren Mann.«
»Danke, werde ich machen.« Sie ging nach rechts weg und zog dabei den Kopf ein, als wollte sie sich verstecken.
Es war kalt hier vor der Tür. Ann Cordy trug nur einen hellgrauen Rollkragenpullover und dunkle Jeans. Vor ihrer Brust verschränkte sie die Arme und hätte eigentlich wieder in den Laden zurückgehen müssen, doch sie traute sich nicht so recht. Das seltsame Geräusch hatte ihr Furcht eingejagt.
Wäre jetzt ein Kunde gekommen, hätte sie keine Probleme gehabt, doch es ließ sich niemand blicken.
Sie blickte durch die Glasscheibe der Tür zurück.
Leer, nichts bewegte und tat sich. Ann lächelte kantig. Sie hatte sich bestimmt alles nur eingebildet.
Mit einem Ruck streifte sie die glatt fallenden, langen, rötlichbraunen Haare zur Seite, die ihr Gesicht noch schmaler aussehen ließen. Nur die blauen Augen darin faszinierten, ansonsten war Ann ein etwas blasser Typ, und ihre schlanke oder zu schlanke Figur glich mehr der eines Jungen.
Ihr wurde kalt. So drückte sie die Tür auf und betrat wieder den Laden. Das leise Klingeln der Glocke verstummte, als die Tür hinter ihr zufiel. Wärme umfaßte sie - und Ruhe. Sie hörte nur die eigenen Atemzüge und die Tritte, als sie auf die Verkaufstheke zuging und den Kopf drehte. Diesmal nach rechts, wo die Spielsachen und die Bücher standen. Letztere waren in den Verlagen gestifteten Drehständer aufgebaut. In der Regel waren es Kinderbücher, aber in einem Regal standen auch Taschenbuchausgaben. Vom Sachbuch bis hin zu Belletristik war alles vertreten. Zumeist die Titel, die auch in den Bestsellerlisten zu finden waren.
An der Decke verteilten sich mehrere Lampen und Strahler. Sie waren alle eingeschaltet. Bücher und Spielzeug wurden so hervorgehoben.
Ann Cordy runzelte die Stirn. Sie überlegte, ob sie hingehen sollte oder nicht. Es war Quatsch, wenn sie daran dachte, wie oft sie diesen Weg schon gegangen war. Mehrmals am Tag, aber jetzt fühlte sie sich leer, und sie spürte auch die Furcht, die ihre Handflächen schweißnaß hatte werden lassen.
Furcht vor was?
Vor dem Knacken oder Knirschen?
Durch die Nase saugte sie die Luft ein. Der warme Strom fuhr in ihre Nebenhöhlen und tat ihr gut, konnte aber den Druck nicht vertreiben. Mit beiden Händen streifte sie an ihrer Hose entlang, hatte sich entschlossen und ging dorthin, wo das Spielzeug und die Bücher standen. Sie bewegte sich sehr staksig. Wer sie jetzt durch das Fenster anschaute, hätte meinen können, eine Diebin zu sehen, die durch den Laden schlich, um zu stehlen.
Das hatte sie beileibe nicht vor, sie war ja froh, diesen Aushilfsjob zu haben, um ihren Eltern nicht auf der Tasche zu liegen.
Vor den Büchern blieb sie stehen.
Die unterschiedlich bunten Cover starrten sie an. Sie sah Liebesromane, Sachbücher und Schaueroder Horrorromane.
Die Cover flößten ihr Angst ein. Sie mochte die Bilder nicht und wandte sich ab. Ann schob sich an dem Ständen vorbei, um die Ecke zu erreichen, wo die Spielsachen standen.
TOYS - so leuchtete es in einem Regal. Es war eine Trennung vorgenommen worden. Auf der einen Seite gab es das Spielzeug für die Jungen, auf der gegenüberliegenden das für die Mädchen. Drei sich gegenüberstehende Fußbänke bildeten eine Pyramide. Dort konnten sich die jungen Käufer hinsetzen und in den Büchern blättern oder sich das Spielzeug anschauen.
Ann erreichte die Ecke für die Jungen.
Baukästen, Holzeisenbahnen, Autos in verschiedenen Größen und Farben, Bagger und Häuser, Steckspiele, Gesellschaftsspiele, aber keine Waffen oder irgendwelche Gameboys. Diese Dinger kaufte Mrs. McBain aus Prinzip nicht ein, auch wenn ihr die Vertreter der entsprechenden Firmen manchmal den Laden einrannten und ihr erklärten, wie gut sie doch daran verdienen konnte.
Alles stand so wie am letzten Tag. Nichts hatte sich verändert. Es war kein Auto aus dem Regal gefallen, und Ann spürte die Erleichterung in sich hochsteigen, während sie die wenigen Schritte nach vorn ging, um die Abteilung für Mädchen zu erreichen, wo sie zumeist Puppen vorfand. Mrs. McBain liebte selbst Puppen und hatte dementsprechend eingekauft. Kleine, mittlere, große. Manche aus Hartgummi, andere aus überzogenem Schaumstoff und wieder andere aus
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