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0893 - Der Atem des Bösen

0893 - Der Atem des Bösen

Titel: 0893 - Der Atem des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adrian Doyle
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Blutes an, das sich durch seine Adern wälzte.
    Er rutschte zur Wand und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. Die Kälte des Steins fraß sich durch seine Häftlingskluft. Vor Corben schien sich die Dunkelheit zusammenzuballen und sein eigenes krampfhaftes nach Luft schnappen nachzuäffen, die Töne als verzerrtes Echo zurückzuwerfen.
    Scheiße , dachte er. Jetzt sehe ich schon Gespenster.
    Aber die Dunkelheit beruhigte sich wieder, genau wie sein Puls und Atem.
    Corben überlegte, wie spät es sein mochte. Innerhalb der Zelle gab es keinerlei Hinweis, ob die Morgendämmerung kurz bevorstand.
    Er schloss die Augen, die wie blind in die Schwärze gestiert hatten, und wartete auf die vertrauten Schritte, die signalisierten, dass Raffles auf seiner nächtlichen Runde vorbeikam. Der Wärter war ein anständiger Kerl, ganz im Gegensatz zum Gros seiner Kollegen, die ihr eigenes Versagerleben damit zu versüßen versuchten, andere Leute zu schinden und zu schikanieren. Raffles war anders. Den konnte man durch die geschlossene Tür schon mal was fragen, ohne gleich was aufs Maul oder die Essensrationen für zwei Tage gestrichen zu bekommen.
    Wobei es manchmal eine Wohltat war, von dem Fraß verschont zu bleiben, der die Bezeichnung Essen gar nicht verdiente.
    Corben wartete eine gefühlte Ewigkeit, ohne dass die Schwärze, von der er umgeben war, lichter wurde - und ohne dass Schritte erklangen.
    Vielleicht hob ich ihn schon verpasst. Muss tief und fest geschlafen haben, bis mich dieses… dieses Gefühl weckte. Umso besser, dann wird's gleich hell.
    Er hatte den Gedanken kaum zuende gedacht, als draußen Schritte aufklangen. Die Starre löste sich wie ein Panzer von Corbens Körper. Er rutschte vor, schwang die Beine von der Pritsche und ging zur Tür. Den Weg fand er ohne Probleme. Die Zelle war winzig, und er fand sich darin selbst in völliger Finsternis zurecht.
    Die Schritte waren jetzt ungefähr auf Höhe der massiven Holztür.
    »Rafflest«
    Corben Versuchte Nachdruck in den Ruf zu legen, ohne wirklich laut werden zu müssen. Den Zorn der Männer in den Nachbarzellen wollte er auf keinen Fall auf sich ziehen. Wenn sie schliefen, schliefen sie. Und wenn er sie aufweckte, würde er es irgendwann zu büßen haben.
    Die Schritte verhielten vor der Zelle.
    Corben überkam eine Gänsehaut, ohne dass er sagen konnte, warum. Vielleicht war es die pure Erleichterung, aber es konnte auch andere Gründe geben. Beispielsweise… dass er gar nicht sicher wusste, ob dort draußen Raffles stand.
    Seine Kopfhaut zog sich gleichzeitig mit seinem Magen und seinem Herzen zusammen. Übelkeit fand ihren Weg bis in seine Kehle. Er setzte an, erneut nach dem Wärter zu rufen - aber dann zögerte er. Presste sein rechtes Ohr gegen die Tür und lauschte.
    Wieder wurde ihm die ungewöhnliche Stille bewusst, die über dem gesamten Gefängnistrakt zu lasten schien. In all den Jahren, die er hier eingesperrt war, hatte Corben noch nie eine Nacht wie diese erlebt. Es war geradezu unheimlich ruhig, und es war bezeichnend für seine Verfassung, dass ihn nicht einmal das Auftauchen eines Wärters draußen auf dem Gang nachhaltig beruhigen konnte. Die verrücktesten Ideen rasten durch sein Hirn. Die Angst, an der Haft zerbrochen zu sein. Gespenster zu sehen, wo keine waren. Dem Wahnsinn verfallen zu sein…
    Ich wäre nicht der Erste.
    Wer immer draußen für eine Weile stehen geblieben war - jetzt ging er weiter.
    Nein!, dachte Corben, während ein anderer Teil seines Ichs erleichtert aufatmete.
    Er wagte es immer noch nicht, Raffles Namen ein zweites Mal zu rufen. Plötzlich wusste er gar nicht mehr, was er dem Wärter hatte sagen wollen. Vielleicht hatte er es nie gewusst.
    Er löste die Wange vom kühlen Holz der Tür, wandte sich wieder dorthin, wo die Pritsche stand.
    Und wo etwas - er bemerkte es erst jetzt - schwach leuchtete.
    Corben tappte näher. Zwei Schritte genügten, um mit den Knien gegen das Bettgestell zu stoßen.
    Das Leuchten kam von der Wand, ungefähr in Kopfhöhe. Es waren Linien, und sie ergaben den laienhaften Versuch, eine Kindergestalt in den Stein der Mauer zu kratzen. Len Corben hatte sich schon vor Langem darin versucht, Lory, seine Tochter, abzubilden - die er mit dem Mord an seiner Frau ebenfalls für immer verloren hatte. Nach seiner Verhaftung und Aburteilung hatte man ihm gesagt, sie sei in ein Heim gekommen. Sie war drei gewesen, als er sie zum letzten Mal sah; mittlerweile musste sie erwachsen sein, hatte

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