Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0895 - Im siebten Kreis der Hölle

0895 - Im siebten Kreis der Hölle

Titel: 0895 - Im siebten Kreis der Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M.H. Rückert
Vom Netzwerk:
ihr nicht zugestanden wurde - und die sie sich selbst ebenfalls nicht zugestand. Immerhin war sie eine Kriegerin.
    Und doch. Warum hatte Stygia nicht eine andere Amazone für diesen Auftrag genommen? Es gab ältere, weit erfahrenere Kämpferinnen als die 18jährige, die von Chinesen abstammte. Wollte Stygia Ling etwa auf diese Weise beseitigen? Frei nach dem Motto: »Auftrag nicht bestanden und zurück ins Seelenfeuer mit dir!«
    Die Amazone konnte sich das nur schlecht vorstellen, aber wer wusste schon, was hinter der Stirn einer Fürstin der Finsternis vorging? Bei den vielen bösen Gedanken, die jeden Tag wie eine unaufhörliche Quelle aus Stygia heraussprudelten, waren bestimmt auch einige dabei, die auf Ling oder die Amazonen allgemein abzielten. Fürstliche Leibgarde hin oder her, Ling traute Stygia nicht weiter, als sie sie hätte werfen können.
    Das Unterholz wurde jetzt noch dichter, ebenso das Blätterdach über ihr. Ein eigenartiger Geruch nach feuchter Erde und Verwesung lag über dem Wald. Ling hatte noch nie etwas Derartiges gerochen.
    »Das riecht auf jeden Fall besser, als der Mief in Stygias Thronsaal«, versuchte sie sich zu trösten. Sie konnte gerade noch mitten im Schritt verharren, sonst wäre sie gegen den Irrwisch gestoßen.
    Karon schwebte direkt an ihr linkes Ohr und zischte leise: »Wirst du wohl ruhig sein!«
    Dabei leuchtete er in giftgrün.
    Ling zuckte zusammen und biss sich vor Ärger auf die Unterlippe, als Karon weiterflog. Was erlaubte sich der Hilfsgeist einer Amazone gegenüber? Er hätte froh sein sollen, dass sie ihn nicht mit ihrem Schwert fein säuberlich auseinanderschnitt!
    Erst nach einigen Sekunden erkannte sie, dass sie dem Irrwisch dankbar sein musste. Er führte sie durch das Waldstück und er sorgte auch dafür, dass sie sich nicht vorzeitig verriet. Sie sollte ihre schlechte Laune nicht auf ihn projizieren.
    Verdammt, ich muss mich mehr zusammennehmen!, nahm sie sich vor. Es ist nicht Karons Schuld, dass ich mich wie eine Närrin benehme. Ich bin eine junge, unerfahrene Frau, die sich jetzt schon am Ende ihrer Kräfte befindet. Ich müsste mich einige Tage ausruhen, damit ich einen Auftrag richtig ausführen kann. Es ist allein Stygias Schuld, dass ich nicht angemessen reagiere.
    Nur durfte sie das der Fürstin gegenüber nie sagen, sonst würde ihre Strafe so grausam ausfallen, dass Ling der Aufenthalt in den Tümpeln der brennenden Seelen wie ein Ferienlager vorkäme, das wusste sie. Stygia duldete keinen Widerspruch von Untergebenen.
    Karons Leuchten wurde matter, fast kam es Ling vor, als würde sich die Farbe den bestehenden Verhältnissen anpassen, wie bei einem Chamäleon. Das wäre eine neue Eigenschaft gewesen, die noch niemand außer ihr von den Irrwischen wusste.
    Ihr Begleiter blieb mitten in der Luft stehen. Er streckte alle Extremitäten von sich. Ling kniff erst die Augen zusammen, es sah aus, als wollte sie Karon nach dem Grund seines Anhaltens fragen. Doch sie hatte ihre Lektion gelernt und blieb so leise wie möglich. Nach wenigen Sekunden, als sie sah, dass hier die Bäume weiter voneinander entfernt standen als noch vor einigen Metern, verstand sie, was er ihr mitteilen wollte.
    Auf dieser Lichtung befindet sich der Gesuchte!
    ***
    Seine innere Unruhe überdeckte alles andere. Normalerweise hätte sich Don Jaime deZamorra hier, in der Nähe des Feuersees, sicher gefühlt: Er hatte seine drei Verfolger umgebracht und ausgesaugt, er war satt und gekräftigt. Und seitdem hatte er keinen Verfolger mehr entdecken können.
    Dennoch - er verfluchte sich für seine Voreiligkeit. Hätte er nur einen der Männer am Leben gelassen, dann wüsste er jetzt, weshalb sie ihn verfolgt hatten und möglicherweise auch, wer dahintersteckte. Aber nein, er hatte sich ja vom Blutrausch überwältigen lassen und gleich alle drei nacheinander abmetzeln müssen.
    Du hast die Chance vermasselt, du Idiot!, dachte er verärgert über sich selbst. Welch eine abgrundtiefe Dummheit!
    Aber ihm half alles Schimpfen nichts, er musste versuchen, das Beste aus der derzeitigen Situation zu machen.
    Als das Beste erschien ihm jetzt, zuerst einmal auf seinen Bruder aus dieser Welt zu warten. Er hoffte, dass er Professor Zamorra deMontagne neugierig genug gemacht hatte. Der Opferplatz, eine Lichtung in der Nähe des Feuersees, war eine Stätte, auf der in grauer Vorzeit Blutopfer dargebracht wurden. Heute lebten in weitem Umkreis keine intelligenten Wesen mehr. Nicht weit von hier begann

Weitere Kostenlose Bücher