0895 - Im siebten Kreis der Hölle
tätowierte?, fragte sie sich, obwohl sie wusste, dass sie keine Antwort darauf finden würde. Wer konnte schon die Entscheidungen der Fürstin der Finsternis erklären!
Sie traute den magischen Schatten nicht, seit sie gesehen hatte, was für ein Vernichtungspotenzial in ihnen steckte. Sie mochte die beiden nicht zu Feinden haben. Vor allen Dingen wollte sie ihren Körper für sich selbst haben und nicht mit zwei gezeichneten Waffen teilen, die sie nicht einzuschätzen vermochte!
Wusste sie denn überhaupt, welchen Zwecken die Tätowierungen dienten? Waren sie vielleicht in der Lage, sie zu überwachen und die Ergebnisse ihrer Beobachtungen an Stygia weiterzugeben?
Sie durfte sich nicht verrückt machen lassen und zwang sich, an etwas anderes zu denken.
Aber da war noch etwas anderes gewesen…
Ein kleines Wesen, das ebenfalls in den Kampf eingegriffen hatte.
Ein Irrwisch.
Ling schüttelte den Kopf, denn sie wollte nicht glauben, dass ein solches Wesen kämpfen konnte. Sie kannte Irrwische bisher nur als Boten oder als Frustopfer.
»Komm heraus, ich habe dich längst schon gesehen«, sagte sie und konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. »Du Kampfirrwisch.«
Unendlich langsam schob sich etwas matt Irisierendes unter dem Beifahrersitz des Bootes hoch. Irrwische sahen aus wie leuchtende Wattebäusche von höchstens 15 Zentimeter Größe, aus denen zwei winzige Arme und Beine ragten. Wozu sie die Beine überhaupt benötigten, wusste Ling nicht, denn die kleinen Gesellen schwebten zumeist durch die Luft. Ein Gesicht konnte man kaum erkennen, aber die Stimmungslage eines Irrwischs ließ sich leicht durch die Art des Leuchtens erkennen. Je glänzender ein Irrwisch erschien, umso wohler fühlte er sich. Das Gegenteil dazu bildete der matte Glanz, den dieser Irrwisch da vor ihr zur Schau trug.
»Wen haben wir denn da?« Ling besah sich den Irrwisch genau, konnte aber keine Besonderheiten an ihm feststellen. Für sie sah einer der Winzlinge aus wie der andere.
»Ich bin's, Menschin«, meldete sich der blinde Passagier mit kaum hörbarer, zirpender Stimme. Bei dem Volk, dem er angehörte, war es nicht üblich, sich mit Namen zu bezeichnen. Die seltsamen Wesen unterschieden sich voneinander durch die unterschiedlichsten Geschmackseigenarten. Dank ihrer ausgeprägten Geschmackssinne konnten sie genau feststellen, wem sie gegenüberstanden. Gegenüber flogen ###, korrigierte sich Ling.
»Das sehe ich.« Die Amazone musste sich ein Lachen verkneifen. Bei Irrwischen herrschte der Irrglaube vor, dass Menschin die Bezeichnung für Menschenfrauen sei, das hatte sie schon gehört. Aber es war spaßig, das auch zu hören. »Ich bin keine Menschin und meine Name ist Ling. Und wie soll ich dich anreden? Ich bin's, vielleicht?« Sie überlegte kurz. »Was ist dein Geschmack?«
»Karon«, antwortete der Irrwisch nach einigem Zögern.
Ling wusste, was süß oder sauer war, aber sie wusste nicht, welchen Geschmack die Bezeichnung Karon darstellen sollte. Solange der Kleine damit klarkam, war es ihr egal. Hauptsache, sie musste ihn nicht mit »Hey, du« anreden.
»Schön, Karon«, grunzte sie zufrieden, »und was hast du in meinem Reisegepäck zu suchen? Ich wusste gar nicht, dass es seit Neuestem in der Hölle Zöllner gibt. Schau mal nach, vielleicht habe ich etwas Schwefel ausgeführt. Ist bestimmt der neueste Verkaufsschlager.«
»Soll dich nicht überwachen«, gestand der Irrwisch. »Bin freiwillig mitgekommen, weil…«
»Weil?« Ling verdrehte die Augen. Sie hasste es, wenn sie Erklärungen einfordern musste. »Na los doch. Weil was?«
»Wollte nicht nur in den Schwefelklüften sein, sondern mal was anderes sehen«, sagte Karon kleinlaut. Es hörte sich wie eine Entschuldigung an.
»Ach so, buchen Sie Ihre nächste Reise bei Höllen-Tours«, meinte Ling sarkastisch. »Wir zeigen Ihnen auch, wie's draußen aussieht«, spottete sie weiter.
»Brauchst dich nicht über mich lustig zu machen«, hauchte Karon beleidigt.
»Macht aber Spaß«, gab Ling lachend zu.
Sie schwieg und beobachtete die Umgebung, um eventuellen Gegnern so früh wie möglich ausweichen zu können. Auf eine zweite Begegnung in der Art wie mit dem schwarzen Hünen und seinem Monster konnte sie gut verzichten. Sie hatte einen Auftrag zu erfüllen und wollte diesen so schnell und erfolgreich wie möglich hinter sich bringen. Die Angst vor einem zweiten Bad im Tümpel der brennenden Seelen steckte tief in ihr.
Sie ahnte jetzt schon, dass sie diese
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