0896 - Das Psychonauten-Kind
Ein Winseln drang aus seinem Maul, klagend und schmerzerfüllt, als würde er unter einer Folter leiden. Er sprang nicht, sondern tat genau das Gegenteil, drückte sich auf die Hinterläufe, winselte weiter, und auch der gierige Ausdruck in seinen Augen war verschwunden. Er starrte auf das Gesicht des Jungen, auf dem sich eine Veränderung abzeichnete. Auf der Stirn leuchtete schwach und zitternd ein türkisfarbenes drittes Augen!
Von ihm strahlte ein kaltes Licht ab, das auch das Gesicht des Jungen aus der unmittelbaren dunklen Umgebung hervorriß und ihm einen gespenstischen Schein gab. Das Gesicht mit den runden Wangen wirkte plötzlich nicht mehr so kindlich, eher künstlich. Die kleine Nase, die Lippen, das Kinn und die Augen mit ihrem offenen Blick, all das trat in den Hintergrund, weil das gesamte Gesicht nur von diesem einen, in einem Dreieck liegenden Auge beherrscht wurde. Es war das Auge der Macht!
Der Hund gehorchte. Er jaulte nicht mehr. Er sank auf den kalten Boden und blieb vor dem Jungen liegen, als wäre dieser sein absoluter Herr.
Gordy blieb nicht mehr auf der Stelle stehen. Er ging weiter, bis er den Hund erreicht hatte. Der schaute ihn an. Seine Augen waren verdreht, um überhaupt das Gesicht des Kinder erkennen zu können. Als Gordy nahe genug an ihn herangekommen war, wälzte sich das Tier zur Seite, vollführte noch eine Drehung und blieb danach auf dem Rücken liegen. Eine Geste der Unterwürfigkeit, ein Beweis dafür, daß der Bluthund seinen neuen Herrn anerkannt hatte.
Gordy schaute auf ihn nieder. Er nickte, als wollte er sich selbst bestätigen, bevor er sich bückte und mit den Knien den kalten Boden berührte. Dicht vor dem Kopf des Hundes streckte er seine rechte Hand aus und streichelte das Tier.
Der Bluthund ließ es sich gefallen. Er knurrte wohlig, schlug mit den Pfoten um sich, er drängte seinen Körper gegen die streichelnde Hand des Jungen, dessen Lippen zu einem Lächeln verzogen waren.
Das Auge auf der Stirn war noch zu sehen. Schwach jetzt, leicht zuckend, wie eine- Wunde im Fleisch, die sich allmählich zurückbildete.
Gordy streichelte weiter. Der Hund genoß es. Er lag noch immer auf dem Rücken, und als die Hand über seinen Bauch hinwegwanderte, um dann, zur Kehle zu gleiten, drang ein besonderes Geräusch aus seinem Maul, das sich wohlig anhörte.
»Ja«, sagte Gordy mit leiser Stimme. »Du bist der beste Hund, mein Lieber. Du bist so wunderbar. Ich möchte, daß du bei mir bleibst. Ich werde dich behalten. Ich werde dich mitnehmen. Wir beide werden uns toll verstehen.« Er kraulte jetzt den Hals des Hundes, dann leckte er Gordys Hand.
»Das tut dir gut, nicht?«
Der Hund knurrte. Es war mehr ein zufriedenes Brummen, gefährlich hörte es sich nicht an.
»Ja, ich weiß, daß es dir guttut. Ich weiß es wirklich. Ich kenne dich, mein Freund…«
Das Tier wimmerte fast vor Lust.
»Hast du auch einen Namen, mein Freund? Bestimmt nicht. Oder vielleicht doch?« Gordy lächelte.
Er hatte in den letzten Sekunden überlegt, bevor er sagte: »Ich werde dich Eden nennen. Ja, Eden. Wie das Paradies damals. Einfach Eden. Gut?«
Der Bluthund winselte.
»Ja, du bist einverstanden, das höre ich.« Gordy lächelte, bevor er aufstand.
Sofort hob auch das Tier den Kopf. Noch lag es auf dem Boden und schaute zu, wie sein neuer Herr zurückging. »Komm, Eden, komm mit mir!« Gordy schnickte mit den Fingern. »Komm, wir gehören jetzt zusammen. Im Auto ist Platz genug.«
Und Eden stand auf. Gordy hatte ihm den Rücken zugedreht und ging auf den Waldrand zu.
Gehorsam trottete der Bluthund hinter ihm her. Er glich jetzt einem braven Schaf…
***
Hubert Huxley rauchte eine Zigarette und wartete auf seinen jungen Begleiter. Da er die Türen des Fahrzeugs geschlossen hatte, war es im Innenraum dunkel. Nur die Glut der Zigarette leuchtete hin und wieder auf, dann lag das Gesicht des Mannes in einem rötlichen Schein.
Huxley mußte einfach lachen. Er konnte nicht anders. Er schüttelte dabei den Kopf, und er konnte nicht begreifen, was er sich an den Hals gehängt hatte.
Ein Kind, einen Jungen. Er, ein Killer!
Es war beinahe wie im Kino, und wenn er über sich selbst nachdachte, dann mußte er sich verrückt nennen, daß er sich mit Gordy überhaupt abgegeben hatte.
Aber Gordy hatte ihm das Leben gerettet. Wäre er nicht gewesen, wäre Huxley bereits in der Hölle gewesen, denn zwei Typen hatten ihn in die Enge getrieben, und er hatte keine Chance gehabt. Aber der Junge
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