0896 - Das Psychonauten-Kind
war plötzlich wie aus dem Nichts erschienen, und was er dann mit den beiden Typen gemacht hatte, kam Huxley noch immer wie ein Traum vor. Er hatte sie in die Flucht gejagt und nicht getötet. Aber er hatte dafür gesorgt, daß sie nicht den normalen Weg nahmen, sondern beide durch ein Fenster in der ersten Etage sprangen.
Ob sie noch lebten, wußte Huxley nicht. Es war ihm auch egal. Sie hatten ihn aufhalten wollen, aber das war ihnen nicht gelungen, dank Gordy. Er war dem Jungen natürlich dankbar, aber die Dankbarkeit ging nicht so weit, daß er ihn immer an seiner Seite hätte haben wollen. Doch er war einfach nicht dazu gekommen, Gordy wegzuschicken. Immer wenn er es versucht hatte, war plötzlich in seinem Kopf eine Blockade gewesen, als hätte ein anderes Wesen versucht, auf ihn Einfluß zu nehmen. Es war ihm einfach unmöglich gewesen.
Er hatte sich selbst verflucht, er hatte überlegt, er hatte immer wieder neue Anläufe genommen, die jedesmal im Keim erstickt waren. Gordy war an seiner Seite geblieben wie der Sohn bei einem Vater. Und damit kam der Killer nicht zurecht.
Es gab noch ein zweites Rätsel, das ihn viel stärker beschäftigte. Es hing mit dem Auge des Jungen zusammen. Er hatte es in der alten Lagerhalle gesehen. Es hatte sich auf Gordys Stirn abgezeichnet.
Ein drittes Auge war dort erschienen und hatte sich zu den beiden anderen gesellt. Nur hatte dieses dritte Auge anders ausgesehen als die beiden anderen. Es war größer, es hatte auch anders geleuchtet, grün, rot und auch blau. Jedenfalls in verschiedenen Farben, was dem Killer mehr als unheimlich vorgekommen war.
Ein drittes Auge!
Ein Auge der Macht.
Er mußte zugeben, daß dieser kleine Junge, der kaum älter als zwölf Jahre alt war, mehr Macht besaß als er, der Mann, der sich auf seine körperliche Kraft und auch auf seine Waffe verließ. Sie war bisher sein treuester Begleiter gewesen und hatte schon manches Leben ausgelöscht. In der letzten Zeit allerdings hatte Huxley umdenken müssen. Die Waffe war nicht mehr die eigentliche Macht, denn was Macht war, das hatte ihm der Junge bewiesen.
Er drückte den Rest der Zigarette aus. Immer wieder mußte er den Kopf schütteln, die einzige Reaktion auf seine Gedanken. Einen Ausweg wußte er nicht. Ihm war nur klar, daß sich sein Leben verändert hatte. Der Junge war jetzt bei ihm. Er hatte nie sehr viel zu Huxley gesagt, aber er hatte ihm schon klargemacht, daß er an seiner Seite bleiben würde und so etwas wie ein Partner sein wollte.
Der Partner eines Killers!
Es wollte Huxley nicht in den Kopf, doch ändern konnte er es leider auch nicht. Da er ein gründlicher Mensch war, was sich auch auf seine »Arbeit« bezog, hatte er Gordy natürlich nach dem Woher und dem Wohin gefragt, doch der Junge hatte nur die Schultern gehoben und erklärt, daß er eben da wäre.
Das war Huxley auch klar. Auf der anderen Seite hatte er ein Zeitproblem. Er mußte einen Job durchziehen. Die Hälfte des Killerhonorars hatte er schon als Anzahlung erhalten, es wurde Zeit, daß ein bestimmter Mensch starb, der die Interessen seiner Auftraggeber störte, aber sollte er diesen Mord vor den Augen des Jungen begehen?
Hubert hatte einige Male versucht, mit Gordy darüber zu sprechen, doch zu einer Unterhaltung oder einem Dialog war es zwischen ihnen nie gekommen. Gordy schien seine Gedanken erraten zu haben, denn immer dann, wenn Huxley hatte ansetzen wollen, war er durch irgend etwas gebremst worden.
Eine Blockade im Hirn, und der Junge hatte ihn dabei nur angeschaut. Manchmal mit zwei, dann wieder mit drei Augen. Ansonsten allerdings gab er sich normal.
Ob er tatsächlich Gordy hieß oder anders, wußte Huxley auch nicht. In den letzten drei Tagen zumindest war Gordy mit seinem Namen zufrieden gewesen.
Huxley schaute auf die Uhr. Seine Stirn legte sich in Falten. Es war schon spät geworden, zu spät eigentlich. Bereits vor einer Stunde hatte er im Hotel sein wollen. Er kriegte langsam Hunger, und der nächste Ort war noch einige Meilen entfernt.
Zudem kehrte der Junge auch nicht zurück, was Huxley gar nicht gefiel. Er hätte jetzt einfach starten und wegfahren können, es wäre sicherlich kein Problem gewesen, nur traute er sich das wiederum nicht. Wieder beherrschte ihn eine Sperre. Im Prinzip fürchtete er sich vor dem Jungen, der seine Spur sicherlich finden würde. Er mußte eine andere Möglichkeit finden, um Gordy zumindest bei seiner »Arbeit« loszuwerden.
Wann kehrte er zurück?
Huxley
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