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0897 - Monster-Maar

0897 - Monster-Maar

Titel: 0897 - Monster-Maar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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blickte entgeistert über die Schulter des Franzosen. Ein Lächeln stahl sich auf seine Züge.
    »Ach nee«, sagte Baumeister überrascht, und während er sprach, wurde seine Stimme immer lauter. »Der Berendt! Dieser konservative Schmierfink vom Eifel-Magazin . Lebt der auch noch?« Mit einer beiläufigen Handbewegung schubste er Zamorra zur Seite - der Professor schien mit einem Mal uninteressant geworden zu sein -, und eilte zur Tür des Gasthauses. Als Zamorra sich umdrehte um ihm nachzuschauen, bemerkte er einen Mann, der draußen vor dem Fenster stand, das der Tür am nächsten lag und ebenfalls auf die Straße hinausging.
    Es war ein schlanker Kerl von vielleicht fünfzig Jahren, mit dicker Brille, Halbglatze und dunklem Oberlippenbart - ein schmieriger, unangenehmer Typ. Er trug ein weißes Poloshirt mit einem auf Brusthöhe aufgestickten Logo: Eifel-Magazin - überparteiisch, unabhängig, investigativ. In seinen Händen hielt er eine Digitalkamera mit beachtlichem Objektiv, und machte fleißig Fotos von der bizarren Zeichnung an der Wand des Schankraumes. Dass ihn dabei jeder sehen konnte, schien ihn nicht zu stören.
    Baumeister riss die Tür auf und stürmte nach draußen. »Guten Morgen, Herr Berendt«, grüßte er, wobei seine Stimme vor falscher Freundlichkeit troff. »Immer noch der alte Sensationsreporter, wie ich sehen muss, ja?« Dann schloss sich die Haustüre wieder und verschluckte den Rest der Schimpftirade, die Baumeister dem Lokalreporter nun sicherlich widmete. Allem Anschein nach kannten sich die beiden, und es war deutlich zu spüren, dass der Polizist nicht allzu viel von Berendt hielt.
    »Na, Gott sei Dank«, murmelte Astrid Lessbrück leise, als ihr Kollege das Haus verlassen hatte. »So schlimm wie heute war er schon lange nicht mehr. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal dankbar sein würde, dem unsäglichen Manfred Berendt zu begegnen…« Lessbrück und Zamorra grinsten.
    »Astrid Lessbrück, hallo«, sagte die junge Frau und reichte dem Professor die Hand. »Ihr Wirt ist mein Vater - zumindest vermute ich, dass Sie hier nächtigen?«
    Zamorra nickte. »Ich und meine Begleiterin, ja.«
    »Monsieur Zamorra war so freundlich, sich dieses… Gebilde an der Wand einmal genauer anzuschauen«, meldete sich Vater Lessbrück zu Wort. Er schenkte dem Professor einen vieldeutigen, wissenden Blick. »Und ich habe so das Gefühl, dass er uns mehr über seinen Zweck und Ursprung erzählen kann. Oder irre ich mich da, Professor?«
    Zamorra schüttelte den Kopf und wandte sich an Astrid. »Aber was den Ursprung angeht, stehe ich sicher nicht allein mit meiner Vermutung da.«
    Sie seufzte und sah dem Franzosen tief in die Augen. Dann gab sie sich einen Ruck, drehte sich zu Ulrich und stellte die Frage, die Zamorra schon seit einer ganzen Weile auf der Zunge lag: »Papa… Wo war eigentlich Franz letzte Nacht?«
    ***
    Böse!
    Ein Blick in den Spiegel. Dunkle Augenringe, wirr abstehende, braune Haare, gehetzter Blick. Augen, die wussten - aber nicht verstanden. Nie verstanden. Salzige Tränen, die in den schwarzen Farbstriemen auf seinen Wangen helle Bahnen hinterließen.
    Falsch. Falsch.
    Ein Blick hinunter, ins Waschbecken. Wie dunkle Bäche folgten die schwarzen Farbfäden dem Lauf des fließenden Wassers zum Abf luss, wo sie in einem Wirbel aus Hell und Dunkel, aus Klar und Farbig verschwanden. Schuldlos. Spurlos.
    Schneller. Schneller.
    Die Seife war fast aufgebraucht, doch Franz Lessbrück registrierte es nicht. Immer weiter rieb er seine Hände unter dem Wasserhahn. Seine schweren, mit grau gefärbtem Seifenschaum bedeckten Hände. Hände, die ihm nicht gehorcht hatten. Die böse gewesen waren.
    Franz wippte mit den Füßen - vor und zurück, vor und zurück - wie ein Erstklässler, der zur Toilette musste. Ungeduldig, unzufrieden. Er winselte, atmete schwer. Ein Film spielte sich in seinem Kopf ab, wie schon so oft an diesem Morgen. Bilder von Blaulicht und Krankenwagen, von Sanitätern und von…
    OMA!
    Ein Blick in den Spiegel. Ein Gesicht, das ihm vertraut war, und doch fremd. Ein Mensch, den er kannte, der er selbst war, und den er dennoch nicht kontrollieren, nicht bremsen konnte, Nacht für Nacht. Der von Dingen träumte, die er im Leben nicht hätte beschreiben können - oder wollen. Unwirkliche, finstere Dinge aus einer fremden und grausamen Welt.
    Franz öffnete den Mund und atmete tief ein. Sein Brustkorb hob und senkte sich mit jedem Zug, den er nahm. Seine Schultern zuckten, die

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