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0897 - Monster-Maar

0897 - Monster-Maar

Titel: 0897 - Monster-Maar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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Stern zu Rate zu ziehen: Die Polizei würde dem Inhaber der Krone in dieser Angelegenheit wohl kaum von Nutzen sein können…
    ***
    Astrid hatte es in irgendeiner Fernsehzeitschrift gelesen: Um die absurdrasanten Verfolgungsjagden einer TV-Serie über ein fiktives Team von Autobahnpolizisten zu realisieren, habe ein großer deutscher Fernsehsender einen damals noch im Bau befindlichen Autobahnabschnitt in der Eifel als Drehort zweit verwertet. Nach Michael Baumeisters Fahrstil zu urteilen, war er damals Stuntman bei dieser Produktion gewesen.
    Sie war schon oft mit Baumeister zu Einsätzen gefahren - und jedes Mal hatte sie danach das Gefühl gehabt, sich bei den himmlischen Mächten dafür bedanken zu müssen, dass sie noch atmete. Ihr alter Partner fuhr, wie er lebte: selbstbewusst, forsch und ohne Rücksicht auf Verluste. Keine Kurve war zu eng, keine Straße zu schmal, um sie nicht mit mindestens 100 Sachen zu nehmen - Sicht-, Wetter- und generelle Verkehrslage waren für ihn Begriffe, mit denen sich nur Feiglinge befassten. Oder Menschen, die nicht auf die Straße gehörten, zumindest in Baumeisters Weltbild. Sonntagsfahrer eben - oder, wie er sie nannte, Holländer. Bergheimer.
    Wer nicht Auto fahren konnte, hatte nichts am Steuer verloren. Und auf wen das zutraf, entschied ganz allein Michael Baumeister. Wer denn auch sonst? Hätte Astrid nicht gerade um ihr Leben gezittert, sie hätte laut gelacht.
    »Alles klar, Frau Kollegin?«
    Oh, Baumeister wusste, was sie - was der Rest der Welt , korrigierte sie sich - von seinen Fahrkünsten hielt. Er verstand, wie sehr er damit der Straßenverkehrsordnung, dem gesunden Menschenverstand im Allgemeinen und der polizeilichen Vorbildfunktion im Besonderen widersprach. Und es war ihm egal. Im Gegenteil: Er genoss es sogar, zu provozieren. Mehr als vierzig Jahre unfallfreies Fahren sprachen eine deutliche Sprache und waren ein Argument, gegen das kein potenzieller Kritiker ankam. Wie viele Fußgänger in all der Zeit panisch auf die Bürgersteige gesprungen waren, um Baumeister zu entkommen, verschwieg diese Statistik gnädig.
    »Kannst du vielleicht ein wenig…«, begann Astrid, und schloss die Augen, als ein Reh nur wenige Meter vor ihnen von der Straße eilte, »… langsamer fahren? Oder zumindest angemessen?«
    Eigentlich hatte sie keine Lust auf diese Diskussion. Eigentlich hatte sie sie schon viel zu oft angezettelt - und viel zu oft verloren. Aber im Angesicht des sicheren Todes konnte sie nun einmal nicht still daneben sitzen und auf den finalen Knall warten.
    Baumeister grunzte wissend… und verzichtete auf einen Kommentar! Das war neu. Ein kleiner Teil in Astrids Hirn - der Rest, der gerade nicht mit Vater Unsers und panischen Hilferufen beschäftigt war -, nahm diese Abweichung von der Norm sehr wohl zur Kenntnis. Er kam aber nicht bis zum Mund durch.
    »Du machst dir sicher Sorgen wegen dieser…«, Baumeister ließ Lenkrad Lenkrad sein und griff beherzt nach dem Notizzettel mit der Zieladresse, der auf dem Armaturenbrett lag, »dieser Krone. Wem gehört die noch mal? Deinem Vater?«
    »Vater, Großmutter, Familienbetrieb«, antwortete Astrid knapp. Sie hatte nicht vor, ihr Privatleben mit Michael Baumeister zu diskutieren. Diesen Fehler hatte sie einmal zu viel begangen. »Mein ältester Bruder wohnt auch noch dort.«
    »Ach ja, der Franz.« Er nickte wissend. In bierseliger Laune hatte Astrid ihm vor Monaten von ihrem zurückgebliebenen, großartigen und liebenswerten Bär von einem Bruder erzählt - und sie verfluchte sich bis heute dafür. »Redet der immer noch mit sich selbst?«
    Astrid schwieg.
    Nach wenigen Minuten erreichten sie Mendig. Im Licht der aufgehenden Sonne zeigte sich die kleine Ortschaft von ihrer schönsten Seite: Die Dächer glitzerten, und die ersten Menschen waren mit Einkaufstaschen und Rollwägen unterwegs, um ihre Besorgungen zu machen. Baumeister nahm die Abzweigung am alten Brauhaus, und bog links in den Ortsteil Niedermendig ein. Aus dem Fenster der Beifahrertür sah Astrid die Bilder und Straßen, die ihr seit ihrer Kindheit vertraut waren: die Laacher-See-Halle; die Schlangen beim Bäcker; die Rentner, die beim örtlichen Supermarkt für ein Schwätzchen Station machten - und trotz der Situation, trotz Baumeisters Fahrweise und der Tatsache, dass sie beruflich hier war, kam ein Gefühl von Heimat in ihr auf. Sie war erst letzte Woche zum Abendessen bei Papa und den anderen gewesen, wohnte nur wenige Kilometer entfernt, und

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