0897 - Monster-Maar
Polizistin, und befand sich vielleicht nur wenige Meter vor der Lösung eines Geheimnisses. Es war ihr Job, der Sache auf den Grund zu gehen, zur Not auch im Alleingang. Nicht wegen den Franzosen. Nicht wegen Holger oder ihrem Instinkt.
Sie schuldete es Franz. Und Michael.
So einfach war das.
Astrid verharrte noch einige Augenblicke in ihrem Versteck und lauschte in den Raum hinein. Nichts regte sich; sie hörte kein Atmen, kein Rascheln, kein Tapsen von Schuhsohlen auf dem ausgeblichenen Linoleumboden. Keinen Schlüssel, der sich im Türschloss umdrehte. Dies war ihre Chance.
Vorsichtig stand sie auf. Sie hatte sich genau gemerkt, welches Buch der Mönch aus dem Regal gezogen hatte, um den Mechanismus der Geheimtür zu aktivieren. Mit wenigen Schritten war sie heran. Astrid musste sich auf die Zehenspitzen stellen, um das oberste Regalbrett zu erreichen, aber auch das gelang ihr. Langsam strichen ihre Fingerkuppen über die Buchrücken, bis sie an dem blauen Band angekommen waren.
Jetzt bin ich gespannt , dachte sie ruhig und schloss die Finger der anderen Hand noch fester um den Griff der Walther. Man wusste ja nie.
Sie zog den Band aus dem Regal - und die Geheimtür schwang auf.
Astrid hatte damit gerechnet, dass ihr ein Schwall abgestandener Luft entgegenschwappte - immerhin kam sie sich gerade vor wie in einem Edgar-Wallace-Film, und rochen die Geheimgänge dort nicht immer vermodert und abgestanden? aber nichts dergleichen geschah. Die Luft jenseits des verborgenen Durchgangs war frisch und kühl. Irgendwo voraus musste eine Öffnung nach draußen sein, ein Fenster vielleicht. Gut zu wissen.
Ein letzter tiefer Atemzug, ein letzter Blick über die Schulter, und Astrid Lessbrück trat in den Geheimgang. Auf der Suche nach Antworten.
Mit einem leisen Schaben schwang das Regal hinter ihr wieder an seinen angestammten Platz, und erneut kehrte Stille in die Bibliothek ein.
***
Der Gang war lang, gewunden und schmal. Er war so eng, dass Astrid nicht einmal die Arme ausstrecken konnte, ohne die kalten und kahlen Steinwände zu berühren, an denen sie dem Unbekannten entgegen entlang schritt. Diffuses Licht fiel von irgendwo weiter vorne herein und beleuchtete den Weg notdürftig, doch bog er sich einige Meter vor ihr nach links. Astrid konnte die Quelle der Helligkeit nicht ausmachen. Langsam ging sie weiter und tat einen Schritt nach dem anderen, vorsichtig darauf bedacht, keine Geräusche zu erzeugen, die auf ihr Kommen hinweisen könnten. Man wusste ja nie, ob nicht noch jemand anwesend war und weiter vorne auf sie wartete.
Astrid spitzte die Ohren, hörte aber nichts außer dem Schlagen ihres eigenen Herzens. Endlich erreichte sie die Biegung - und hielt erstaunt inne.
Wenige Meter vor ihr begann ein Kaum von vielleicht fünfundzwanzig Quadratmetern Grundfläche. Ein weinroter dicker Teppich lag auf sorgfältig angelegten kalten Steinplatten, an einem schweren dunklen Holztisch standen acht Stühle mit hohen, kunstvoll gedrechselten Lehnen und lederner Polsterung. Mehrere dicht bepackte Regale, Schränkchen und Beistelltische standen an den Wänden. In jeder Ecke des Raumes befand sich zudem ein sicher einen Meter achtzig hoher, gusseiserner Kerzenständer. Durch ein großes Butzenfenster an der linken Seite des Zimmers fiel das Licht der Sonne hinein. Menschen sah sie nicht.
Und dann waren da Bilder.
Auf die Entfernung konnte sie noch keine Inhalte ausmachen, doch sah Astrid, dass die Wände des Raumes über und über mit großformatigen Papierbögen behangen waren. Beschriebene Blätter und Seiten mit Skizzen, Fotografien, schematischen Zeichnungen und mathematischen Formeln. Sie erkannte Computerausdrucke und Fotokopien - allesamt händisch kommentiert, unterstrichen, bunt markiert. Es sah aus, wie in einer Erfinderwerkstatt, wo jeder neue Gedanke schnell irgendwo notiert werden musste und am Ende überall Zettel und kontextlose Eingebungen hingen - und doch konnte sich Astrid des Eindrucks nicht erwehren, dass hier mit System vorgegangen worden war. Keines, das sie erkannt oder nachvollzogen hätte, aber dennoch: Unstrukturiert sah anders aus. Das spürte sie.
***
An der hinteren Wand des Raumes, inmitten all der Bögen, Fotos und Skizzen, hing ein vielleicht ein mal zwei Meter messendes Ölgemälde, welches den Laacher See, sein Ufer und das Kloster zeigte, dessen obere Stockwerke über den Wipfeln der ufernahen Bäume herauslugten. Das Bild war detailgenau, farbenfroh - und unglaublich
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