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0899 - Schwanengesang

0899 - Schwanengesang

Titel: 0899 - Schwanengesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Schwarz
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befahl ihm, den Ausgang zu lokalisieren. Doch das Amulett rührte sich nicht. Stattdessen öffnete sich wenig später lautlos eine Tür in der Wand, die dort absolut fugenlos eingepasst war. Sie schien sich in einem Flimmern aufzulösen.
    Zamorra sprang hoch. Er spannte die Muskeln und war bereit, Alice sofort anzufallen, falls sie sich hier blicken lassen sollte. Aber nichts rührte sich. Die Tür blieb einladend weit offen. Hinter dem Viereck leuchtete diffuses, nicht annähernd so helles Licht wie im Raum. Es erhellte einen Gang.
    Zamorra fasste sich als Erster ein Herz und trat hinaus. Gryf folgte ihm auf dem Fuße. Einigermaßen verwundert stellten sie fest, dass sie sich im Innern eines Berges zu befinden schienen. Was sie hier ertasteten, war nackter, roh behauener Fels.
    »Also denn«, sagte Gryf. »Dann tun wir mal, was man von uns zu verlangen scheint und traben schön los.«
    Sie gingen durch den Stollen und stießen bald auf mehrere Abzweigungen. »Nehmen wir einfach die, die als einzige beleuchtet ist«, schlug Zamorra vor und wurde ob seiner genialen Idee überschwänglich gelobt. Auf diese Weise bewegten sie sich gut zehn Minuten durch den Berg.
    Zamorra, der immer noch vorne ging, prallte zurück. Drei Meter vor ihm wuchs Alice aus dem Boden. Bevor die Männer nur den kleinsten Mucks machen konnten, standen sie erneut im Bann des rothaarigen Mädchens.
    Gedankenbilder flossen. Zamorra und Gryf wussten nun genau, was sie zu tun hatten. Geht zur Schwarzen Gruft und beschafft mir die Waffe, lautete der Befehl des Wesens, das sie manipulieren konnte wie selten ein anderes zuvor.
    ***
    Ohne Eile trat der Mann aus dem Stollen. Er ging geradewegs auf den Teil des Waldes zu, an dem die Bäume besonders dicht standen. Dort, im Schatten einer Pinie, hockte das Echsenwesen. Es blickte dem Menschen voller Interesse entgegen.
    Behände erhob sich der Tanaar. Er verstärkte den Druck seiner Klauen um den Peitschengriff und ließ das Instrument ein paar Mal auf- und abwippen. Ein Zischen kam aus dem Maul. Dank magischer Übersetzung verstand der Mann ein »Nun?«
    »Wir sind durch, Herr. Die Höhle ist erreicht.«
    »Was denn, jetzt schon?« Die Vollzugsmeldung schien den Tanaar tatsächlich zu überraschen. Einen Moment stand er unschlüssig herum. »Und das ist wahr? Du lügst nicht?«, fragte er völlig überflüssigerweise. Selbst wenn der Mensch hätte lügen wollen, er hätte es gar nicht gekonnt. Mit zunehmender Nervosität ließ der Tanaar seine Peitschenschnur ringeln.
    »Also gut, ich komme mit.« Einerseits fürchtete sich der Tanaar davor, die Höhle zu betreten, weil er nicht wusste, was ihn dort erwartete. Andererseits musste er es einfach tun, um dem Fürsten, der gleichzeitig sein Elter war, zuverlässig Bericht erstatten zu können.
    Der Mann ging vor der Echse her. Sie drangen in den Stollen ein. Die Männer, die dort standen, machten schweigend Platz. Es war angenehm kühl hier drinnen, für Mensch und Tanaar gleichermaßen. Sofort fühlte sich die Echse wieder wohler, denn der kurze Weg durch die Sonne hatte ihr bereits zugesetzt. Irgendetwas war an den Sonnenstrahlen dieser Welt, das Tanaar nur schwer vertrugen: Sie gingen gut 30 Meter in den Bauch des Berges. Elektrische Lampen, von einer Batterie gespeist, erhellten ihn. Der Tanaar bleckte die Hauer. Fasziniert starrte er auf den Durchbruch, der den Blick in eine riesige, domartige Felsenhöhle freigab. Das heilige Licht, das in allen nur denkbaren Farben irisierte und trotzdem ein sanftes, absolut perfektes Leuchten produzierte, ließ den Tanaar auf die Knie fallen und zum Schöpfer der Welten beten. Dabei schlug er ständig das heilige Zeichen seines Volkes, einen doppelten Kreis vor der Stirn. Denn nur Steine aus dem heiligen Bezirk von Randaan, der nicht weit von Sh'hu Naar entfernt lag, konnten dieses wunderbare Licht entsenden. Die alten Sagen und Legenden seiner Heimat kamen dem Tanaar in den Sinn. Obwohl er viele Tausend Jahre geschlafen hatte, waren sie nach wie vor in ihm lebendig. Um die heiligen Steine von Randaan rankten sich die schönsten Geschichten.
    Ob es allerdings richtig war, aus den heiligen Steinen von Randaan eine rund zwanzig Meter hohe Gestalt zu formen, in die der Geist eines furchtbaren Dämons fahren sollte, wagte der Tanaar zu bezweifeln. Aber er hatte darüber nicht zu befinden oder sich auch nur irgendwelche Gedanken zu machen. Trotzdem, die Gestalt des Vieläugigen sah grausam und unheimlich aus und jagte jedem

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