09 - Befehl von oben
Leberwerte waren fast außerhalb des Meßbereichs. Ebola hatte für dieses Organ eine üble Affinität. Andere chemische Indikatoren zeigten systemische Nekrose. Die inneren Organe hatten angefangen, abzusterben, die Gewebe zu verrotten, von den winzigen Virensträngen aufgefressen.
Theoretisch war es noch möglich, daß sein Immunsystem die Energie zu einem Gegenschlag aufbrachte, aber nur theoretisch - eins zu mehreren hundert. Manche Patienten konnten dies besiegen. Es war in der Literatur, die sie mit ihren Kollegen in den letzten zwölf Stunden studierte, und dann, spekulierten sie bereits, wenn sie die Antikörper isolieren konnten, hätten sie möglicherweise therapeutisch was Brauchbares.
Falls - vielleicht - hätte - könnte - eventuell.
Dies war nicht Medizin, wie sie sie kannte. Wieder dachte sie an ihre Entscheidung, in die Ophthalmologie zu gehen. Einer ihrer Professoren hatte ihr sehr nahe gelegt, in die Onkologie zu gehen: mit ihrem Hirn, ihrer Neugier, ihrer Gabe, Dinge zu verbinden, hatte er gesagt. Aber im Hinabschauen auf diesen schlafenden sterbenden Patienten wußte sie, daß nein, sie hätte nicht das Herz, jeden Tag so was zu tun. Nicht so viele zu verlieren. Machte das sie zum Versager? fragte sich Cathy. Bei diesem Patienten, mußte sie zugeben, war das so.
*
»Verdammt«, sagte Chavez. »Es ist wie Kolumbien.«
»Oder Vietnam«, stimmte Clark zu, bei der Begrüßung durch tropische Hitze. Da war ein Botschaftsangehöriger und ein Repräsentant der Regierung Zaires. Letzterer trug eine Uniform und salutierte den ankommenden >Offizieren<; diese Höflichkeit erwiderte Clark.
»Hier entlang bitte, Colonel.« Der Helikopter erwies sich als französisch, und die Bedienung war ausgezeichnet. Amerika hatte über dieses Land gewaltige Geldmengen ausgeschüttet. Jetzt war es Zeit zum Abstottern.
Clark sah hinab. Drei-Ebenen-Dschungel. Den kannte er von mehr als einem Land. In seiner Jugend war er da unten gewesen, auf der Suche nach Feinden und mit Feinden auf der Suche nach ihm - kleine Männer in schwarzen Pyjamas oder Khaki-Uniformen, die AK-47 trugen, Leute, die ihm das Leben nehmen wollten. Jetzt mußte er sich vergegenwärtigen, daß es da unten etwas noch Kleineres gab, das keine Waffe trug und das nicht nur auf ihn, sondern aufs Herz seines Landes gezielt war. Es schien so verflucht irreal. John Clark war ein Geschöpf seines Landes. Auf Kampfoperationen war er verwundet und rasch wiederhergestellt worden. Da gab es das eine Mal, als er einen A-6-Piloten aus irgendeinem Fluß in Vietnam rausgeholt hatte. Er bekam eine Schnittwunde, und der verseuchte Fluß hatte ihn infiziert, aber Zeit und Medikamente hatten es wieder hingebogen. All diese Erlebnisse hatten in ihm den festen Glauben genährt, daß in seinem Land Ärzte fast alles reparieren konnten - nicht Alter und noch nicht Krebs, aber daran wurde gearbeitet, und im Laufe der Dinge würden sie ihre Schlachten gewinnen wie meistens er seinerzeit. Das war eine Illusion.
Das mußte er jetzt zugeben. Ein kleines Dschungelvirus hatte das bewirkt. Aber es war nicht der Dschungel, der Amerika angriff. Menschen hatten das getan.
*
Die vier RoRo-Schiffe formierten sich 600 Meilen Nordnordwest von Diego Garcia. Es war eine Kastenformation: ein Kilometer seitlicher, ein Kilometer Längsabstand. Der Zerstörer O'Bannon nahm fünf Kilometer voraus Stellung ein, die Kidd war zehn Kilometer Nordost vom ASWSchiff. Anzio fuhr den anderen Schiffen zwanzig Meilen voraus.
Die Tankerflotte lag mit ihren zwei Fregatten westwärts und würde gegen Abend auf schließen.
Die Gelegenheit war für eine Übung gut. Sechs P-3C-Orion-Maschinen waren auf Diego Garcia stationiert, und eine davon patrouillierte vorm Mini-Konvoi, warf Sonarbojen ab, was für eine schnellfahrende Formation recht kompliziert war, und horchte nach möglichen U-Boot-Kontakten. Eine weitere Orion flog weit voraus, spürte Indiens Zwei-Träger-Schlachtflotte an ihren Radaremissionen nach und blieb, soweit möglich, außer Reichweite. Die führende Orion hatte nur Waffen zur U-Boot-Abwehr an Bord zur Zeit, und ihre Mission war lediglich Routineüberwachung.
»Ja, Mr. President«, sagte der J-3. Warum schläfst du denn nicht, Jack? durfte er nicht sagen.
»Robby, hast du diese Sache von Botschafter Williams gesehen?«
»Hat mich aufhorchen lassen«, bestätigte Admiral Jackson.
David Williams hatte sich beim Aufsetzen des Communiques Zeit gelassen. Das hatte Leute im Außenamt geärgert, und
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