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09 Der Sohn des Greifen (alte Übersetzung)

09 Der Sohn des Greifen (alte Übersetzung)

Titel: 09 Der Sohn des Greifen (alte Übersetzung) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
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Licht direkt ins Gesicht fiel, schrie er auf. Er musste seine Augen mit den Händen abschirmen. Er hätte sie sich ausgekratzt, wenn er es nur gewagt hätte, weil es in seinem Kopf so heftig pochte. »Nehmt das Licht weg, macht es im Dunkeln, bitte, oh bitte.«
    »Das ist er nicht«, sagte ein Junge. »Sieh ihn dir an. Wir haben die falsche Zelle erwischt.«
    »Die letzte Zelle auf der linken Seite«, erwiderte ein anderer Junge. »Das ist die letzte Zelle auf der linken Seite, oder nicht?«
    »Ja.« Eine Pause. »Was sagt er?«
    »Ich glaube, das Licht stört ihn.«
    »Dich würde es auch stören, wenn du so aussehen würdest.« Der Junge hustete und spuckte aus. »Und dieser Gestank. Ich könnte mich übergeben.«
    »Er hat Ratten gegessen«, sagte der zweite Junge. »Schau dir das an.«
    Der erste Junge lachte. »Ja, tatsächlich. Lustig.«
    Ich musste. Die Ratten bissen ihn, während er schlief, und nagten an seinen Fingern und Zehen, sogar an seinem Gesicht, und so hatte er nicht gezögert, als er eine zu fassen bekam. Fressen oder gefressen werden, das war die einzige Wahl. »Ich hab’s getan«, nuschelte er, »ich habe es getan. Ich habe es getan. Ich habe sie gefressen, aber sie machen das Gleiche mit mir, bitte …«
    Die Jungen kamen näher, das Stroh raschelte leise unter ihren Füßen. »Rede mit mir«, sagte der eine. Es war der kleinere der beiden, ein dünner Knabe, aber klug. »Erinnerst du dich, wer du bist?«
    Die Angst wallte in ihm auf, und er stöhnte.
    »Rede mit mir. Sag mir deinen Namen.«
    Meinen Namen. Ein Schrei blieb in seiner Kehle stecken. Sie hatten ihm seinen Namen beigebracht, das hatten sie, das hatten sie, aber es war so lange her, und er hatte ihn vergessen. Wenn ich etwas Falsches sage, wird er mir wieder einen Finger abnehmen, oder schlimmer noch, er … er … Er wollte nicht daran denken, er konnte nicht daran denken. In sein Kinn, in seine Augen stachen Nadeln. In seinem Kopf hämmerte es. »Bitte«, krächzte er mit dünner, schwacher Stimme. Er klang, als wäre er hundert Jahre alt. Vielleicht war er das ja. Wie lange bin ich schon hier? » Geht«, nuschelte er durch gebrochene Zähne und gebrochene Finger und schloss die Augen vor dem entsetzlich hellen Licht, »bitte, ihr könnt die Ratte haben, aber bitte, tut mir nicht weh …«
    » Stinker«, sagte der größere Junge. »Dein Name ist Stinker. Erinnerst du dich?« Es war der mit der Fackel. Der kleinere Junge hielt den Ring mit den eisernen Schlüsseln.
    Stinker? Tränen rannen ihm über die Wangen. »Ich erinnere mich. Bestimmt.« Er öffnete und schloss den Mund. »Mein Name ist Stinker. Das kommt von stinken, und das reimt sich auf Schinken.« In der Dunkelheit brauchte er keinen Namen, daher vergaß er ihn leicht. Stinker, Stinker, mein Name ist Stinker. Mit dem Namen war er nicht geboren worden. In einem anderen Leben war er jemand anderes gewesen, aber hier und jetzt war sein Name Stinker. Er erinnerte sich.
    An die Jungen erinnerte er sich ebenfalls. Sie trugen die gleichen Wämser, Schurwolle, silbergrau mit dunkelblauem Saum. Beide waren Knappen, beide waren acht, und beide hießen Walder Frey. Der Große Walder und der Kleine Walder, ja. Nur dass der große Walder der Kleine und der kleine Walder der Große war, und darüber lachten die Jungen, während der Rest der Welt verwirrt war. »Ich kenne euch«, flüsterte er mit gesprungenen Lippen. »Ich kenne eure Namen.«
    »Du kommst jetzt mit uns«, sagte der Kleine Walder.
    »Seine Lordschaft braucht dich«, sagte der Große Walder.
    Angst durchbohrte ihn wie ein Messer. Es sind nur Kinder, dachte er. Zwei Jungen von acht Jahren. Zwei achtjährige Jungen könnte er sicher leicht überwältigen. Selbst so schwach wie er war, könnte er die Fackel nehmen, die Schlüssel und den Dolch, den der Kleine Walder in einer Scheide an der Hüfte trug. Und dann fliehen. Nein. Nein, das ist zu leicht. Es ist eine Falle. Wenn ich fliehe, wird er mir noch einen Finger nehmen und noch mehr Zähne.
    Einmal war er schon davongelaufen. Das musste Jahre her sein, als er noch etwas Kraft gehabt hatte, als sein Trotz noch stark gewesen war. Damals war es Kyra mit den Schlüsseln gewesen. Sie hatte gesagt, sie habe sie gestohlen und dass sie ein Seitentor kenne, das nie bewacht wurde. »Bringt mich zurück nach Winterfell, M’lord«, hatte sie gebettelt, zitternd und bleich im Gesicht. »Ich weiß den Weg nicht. Ich kann nicht allein fliehen. Kommt mit mir, bitte.« Und so war er

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