09 Der Sohn des Greifen (alte Übersetzung)
würde. »Ich bin sieben Jahre älter als er. Ten Towers sollte mir gehören.«
Asha war immer noch in Ten Towers, um Proviant aufzunehmen, als sie die Nachricht von ihrer Heirat erreichte. »Meine widerspenstige Nichte muss gezähmt werden«, sollte Krähenauge gesagt haben, »und ich kenne den Mann, der sie zähmen wird.« Er hatte sie mit Erik Eisenmacher verheiratet und den Ambossbrecher als Herrscher über die Iron Islands eingesetzt, während er auf Drachenjagd ging. Erik war zu seiner Zeit ein großer Mann gewesen, ein furchtloser Räuber, der sich rühmen konnte, mit dem Großvater ihres Großvaters gesegelt zu sein, ebenjenem Dagon Greyjoy, nachdem Dagon der Säufer benannt worden war. Die alten Frauen auf der Schönen Insel lehrten ihre Enkelkinder mit Geschichten über Lord Dagon und seine Männer immer noch das Fürchten. Auf dem Königsthing habe ich Eriks Stolz verletzt, erinnerte sich Asha. Das wird er nicht vergessen.
Sie musste ihrem Onkel gratulieren. Mit einem Streich hatte Euron einen Rivalen in einen Unterstützer verwandelt und die Inseln während seiner Abwesenheit für sich gesichert. Gleichzeitig hatte er die Bedrohung, die von Asha ausging, aus dem Weg geräumt. Und er hat sich dabei auch noch totgelacht. Tris Botley hatte gesagt, Krähenauge habe bei der Hochzeit ein Siegel als Stellvertreter für sie benutzt. »Ich hoffe, Erik hat nicht auf dem Vollzug der Ehe bestanden«, hatte sie erwidert.
Nach Hause kann ich nicht, dachte sie, aber hier wage ich auch nicht länger zu bleiben. Die Stille des Waldes setzte ihr zu. Asha hatte ihr Leben auf Inseln und Schiffen verbracht. Die See war nie still. Das Tosen von Wellen, die gegen eine Felsküste schlugen, lag ihr im Blut, doch in Deepwood Motte gab es keine Wellen … nur die Bäume, endlose Bäume, Soldatenkiefern und Wachbäume, Buchen und Eschen und uralte Eichen, Kastanien, Eisenholzbäume und Tannen. Das Rauschen, das sie erzeugten, war leiser als das Meer, und sie hörte es nur, wenn der Wind wehte; dann kam das Seufzen scheinbar aus allen Richtungen, als ob die Bäume miteinander wisperten, und zwar in einer Sprache, die sie nicht verstand.
Heute Nacht schien das Wispern lauter zu sein, als je zuvor. Das Rascheln toten braunen Laubes, redete sich Asha ein, kahle Äste, die im Winde ächzen. Sie wandte sich vom Fenster und vom Wald ab. Ich brauche wieder ein Deck unter den Füßen. Oder wenn ich das schon nicht bekomme, dann wenigstens etwas zu essen im Bauch. Sie hatte heute Abend zu viel Wein getrunken und dafür zu wenig Brot gegessen und gar nichts von dem großen blutigen Braten.
Das Mondlicht war hell genug, damit sie sich ihre Kleidung zusammensuchen konnte. Sie zog eine dicke schwarze Hose an, ein gestepptes Hemd und ein grünes Lederwams, das mit einander überlappenden Stahlplatten verstärkt war. So überließ sie Qarl seinen Träumen und stieg die Außentreppe des Bergfrieds hinunter. Unter ihren nackten Füßen knarrten die Stufen. Einer der Männer, die auf dem Wehrgang patrouillierte, entdeckte sie und hob seinen Speer grüßend in ihre Richtung. Asha pfiff ihm zu. Während sie über den Innenhof zur Küche unterwegs war, fingen Galbart Glovers Hunde an zu bellen. Gut, dachte sie. Das übertönt wenigstens die Bäume.
Sie schnitt sich einen Keil gelben Käses aus einem Laib, der so groß wie ein Wagenrad war, als Tris Botley die Küche betrat. Er war in einen dicken Pelzmantel gehüllt. »Meine Königin.«
»Hör auf, mich zu verspotten.«
»In meinem Herzen wirst stets du regieren. Gleichgültig, wie viele Narren auf einem Königsthing herumbrüllen, daran ändert sich nichts.«
Was soll ich bloß mit diesem Jungen anstellen? Asha zweifelte nicht an seiner Ergebenheit. Er war nicht nur auf Naggas Hügel als Fürsprecher für sie eingetreten, sondern hatte sogar das Meer überquert, um sich ihr später anzuschließen, und König, Familie und Heim im Stich gelassen. Nicht dass er es gewagt hätte, sich offen gegen Euron zu stellen. Als Krähenauge mit der Flotte in See gestochen war, hatte sich Tris einfach zurückfallen lassen und erst den Kurs geändert, als die anderen Schiffe außer Sicht waren. Doch selbst das erforderte ein gewisses Maß an Mut; er konnte niemals auf die Inseln zurückkehren. »Käse?«, fragte sie ihn. »Schinken gibt es auch, und Senf.«
»Mir geht es nicht ums Essen. Das weißt du.« Tris hatte sich in Deepwood einen dicken braunen Bart wachsen lassen. Er behauptete, er halte sein Gesicht
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