09-Die Pfade des Schicksals
war zu schwach und zu schwer verletzt, um sich zu bewegen. Trotzdem schien er sie wegzuschieben. »Wir brauchen ihn.«
Ich wollte, ich könnte dich verschonen. Aber ich sehe keine Möglichkeit dazu.
Pahni zupfte so energisch an Lindens Ärmel, wie sie sich traute. »Ring-Than, ich flehe dich an.« In ihren Augen standen Tränen. »Willst du nicht auf mich hören, tu wenigstens, was der Zeitenherr sagt. Liand braucht Heilung.«
Mahrtür sagte etwas zu Pahni - ein Tadel? eine Ermahnung? -, aber Linden verstand seine Worte nicht. Er war zu weit entfernt; oder ihre Sinne waren durch Covenants extremen Zustand und die gezähmte Wildheit des Croyel und Jeremiahs Hilflosigkeit betäubt.
Im nächsten Augenblick plärrte Esmer laut: »Weißgoldträgerin, das ist Wahnsinn! Bedeutet es dir nichts, dass ich gekommen bin, oder dass diese Dämondim-Abkömmlinge mich dazu überredet haben, sie in deinem Namen ins Verderben zu führen? Willst du den Rest deines Lebens so vergeuden, indem du den Ruin akzeptierst, den mein Verrat dir bringen muss? Ist dieser Tod wirklich dein Herzenswunsch?«
Die Eisenhand drückte ihr Schwert fester an seinen Hals. »Schweig, Meer-Sohn«, knurrte sie unwillig. »Linden Riesenfreundin braucht eine Atempause. Viele von uns, die wir uns ihre Freunde nennen, haben sie im Stich gelassen. Aber jetzt werden wir ihr diese kurze Pause verschaffen.
Ich bin mir sicher, dass mein Schwert dich nicht verletzen kann. Aber wenn ich dein Leben nicht haben kann, will ich wenigstens dein Schweigen haben.«
Esmer würdigte Kaltgischt keines Blickes. »Durch meine Hand und deine eigene Torheit«, warnte er Linden, »steht der Tod aller, die du liebst, unmittelbar bevor. Bald wird keiner der hier Versammelten noch imstande sein, die Verwüstung der Erde zu beklagen. Willst du dieses Ergebnis nur deshalb billigen, weil ich Sinnlosigkeit predige? Bist du jetzt der Überzeugung, dass alle Liebe, alles Leben untergehen muss?«
Die Eisenhand ließ fluchend ihr Schwert sinken und hob die rechte Faust. Mit allen Muskeln und ihrem ganzen Gewicht schlug sie Esmer ins Gesicht.
Sie war eine Kriegerin; sie hatte die Instinkte einer Kriegerin.
Linden hörte das trockene Klatschen, als Knöchel auf Haut und Knochen trafen. Esmers Kopf schnellte nach hinten und flog gleich darauf wieder nach vorn. Aus einer Platzwunde am Backenknochen sickerte Blut. Seine Gesichtsmuskeln zuckten, als unterdrückte er einen Zornausbruch, aber er nahm Raureif Kaltgischt nicht einmal mit einem Blick zur Kenntnis.
Trotzdem schwieg er nun.
Linden sackte leicht zusammen, als hätte sie eine neuerliche Niederlage erlitten. … sehe keine Möglichkeit dazu. Die Vorstellung, Covenants Wunden unbehandelt zu lassen, zerriss ihr das Herz. Sie hatte erst angefangen … Trotzdem zwang sie sich dazu, einen Schritt zurückzutreten.
Sie sah jetzt weder Jeremiah noch Galt, weder den Croyel noch den Krill an.
Hilf Liand. Wir brauchen ihn.
Sie wollte Jeremiah in den Armen halten, ehe die Welt unterging. Dazu war sie hergekommen, nachdem sie alle übrigen Ziele nicht erreicht oder aber geopfert hatte. Aber solange der Croyel ihn beherrschte, konnte sie ihn nicht einmal berühren. In diesem einen Punkt war ihr Gesundheitssinn eine Schwäche. Die Bösartigkeit des Ungeheuers war zu intim; sie musste bei Linden Übelkeit auslösen. Und der Croyel konnte auch sie unter seine Herrschaft zwingen, wenn sie ihren Sohn umarmte.
… nur weil ich Sinnlosigkeit predige?
Dem alten Mann, der Prophetengestalt in dem ockergelben Gewand, die sie hätte warnen sollen, dass Jeremiah und sie gefährdet waren, ehe Roger ihren Sohn entführt hatte. Durch seinen Rückzug hatte er sie verraten. Hätte er sie gewarnt, wäre sie geflüchtet, hätte Jeremiah an einen Ort gebracht, an dem Roger ihn nicht hätte aufspüren können. Jede Gräueltat, die seither verübt worden war - jede Abscheulichkeit, die Jeremiah und das Land erlitten hatten, jedes Verbrechen, das sie selbst verübt hatte -, hätten vermieden werden können.
Mit jedem Schritt wurden die Schmerzen in ihrem verletzten Knie schlimmer. Aus ihrer verbrannten Wange sickerte Flüssigkeit. Die durch Esmers Gegenwart bewirkte Übelkeit setzte ihr zu. Aber all das musste sie überwinden können. Weil sie gebraucht wurde, benutzte sie den Stab, um ihren Magen zu beruhigen, ihre versengte Wange zu heilen und ihre zersplitterte Kniescheibe zu flicken. Dann achtete sie nicht mehr auf die eigene Verfassung, um sich ganz auf Liand
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