09-Die Pfade des Schicksals
zwischen den Fingern und hielt sie dann Kaltgischt unter die Nase.
Covenant hatte einmal Amanibhavam - ein für Menschen giftiges Heilkraut für Pferde - gegessen: eine Verrücktheit, die ihm jedoch vermutlich das Leben gerettet hatte.
Kaltgischt schnaubte wegen des Geruchs und drehte den Kopf zur Seite. Im nächsten Moment hob sie den Kopf und blinzelte den trüben Film aus Durst und Erschöpfung weg.
Pahni wandte sich zufrieden ab und stieg zu Stave hinauf.
»Eisenhand«, sagte Clyme, »wir brauchen deine Rüstung, um darin Wasser zu transportieren.«
Kaltgischt glotzte ihn verständnislos an. Sie schien Mühe zu haben, das Gesagte zu begreifen. Dann brachte sie ein Nicken zustande. Mit ungelenken Fingern löste sie die seitlichen Verschlüsse ihres Brustpanzers. Danach wälzte sie sich zur Seite, sodass Brust- und Rückenplatte liegen blieben.
Von dem schweren Stein befreit rappelte sie sich schwankend auf und beobachtete, wie Clyme und Branl sich nach den Hälften ihrer Rüstung bückten, um sie aufzuheben. Als sie sah, dass die beiden ihrer Aufgabe gewachsen waren, zog sie ein Steinfläschchen aus einem Schlitz in ihrem Brustpanzer und leerte seinen restlichen Inhalt: ein paar Tropfen Diamondraught. Dann steckte sie das Fläschchen in ihren Gürtel und stolperte zu Frostherz Graubrand hinüber. Ohne zu versuchen, ihre Gefährtin zu wecken, kniete sie neben ihr nieder und fing an, die Verschlüsse von Graubrands Rüstung zu lösen.
Stück für Stück gelang es ihr, Graubrand langsam zur Seite zu wälzen.
Graubrand öffnete die Augen und sah blinzelnd zu Kaltgischt auf. Sie runzelte die Stirn, während sie versuchte, mit der Zungenspitze ihre Lippen zu befeuchten. »Eisenhand«, krächzte sie schmerzhaft. »Was …?«
»Schlaf weiter, wenn du musst«, antwortete Kaltgischt heiser vor Durst. »Steh auf, wenn du kannst, und hilf mir. Wir müssen in unseren Brustpanzern Wasser holen.«
Graubrand schüttelte benommen den Kopf. »Ob ich kann?«, krächzte sie. »Nenne ich mich nicht selbst die Stärkste aller Schwertmainnir? Bist du imstande, Wasser zu tragen, kann ich wenigstens ebenso viel tun.«
Riesen-Flüche murmelnd, um sich selbst anzuspornen, rappelte Frostherz Graubrand sich auf. Als sie das Gleichgewicht zurückgewonnen hatte, zog sie ebenfalls ihr Fläschchen heraus und kippte sich die letzten Tropfen Diamondraught in den Mund.
Covenant sah ihre starken Muskeln zittern, als Kaltgischt und Graubrand die beiden Teile von Graubrands Rüstung aufhoben, und erinnerte sich unwillkürlich an andere Szenen. Vor seinem inneren Auge erschienen Bilder: Salzherz Schaumfolger, der ihn durch die unerträgliche Magma des Glutaschenkamms trug; Grimme Blankehans, der sich anstrengte, den Wüterich Sheol davon abzuhalten, aus seinem Körper zu fliehen. Seine Erinnerungen reichten zu weit zurück. Lindens Erschöpfung an seiner Brust war nur eine von vielen Lasten, die um seine Aufmerksamkeit wetteiferten.
»Halt durch«, murmelte er und meinte damit sich genauso wie sie. »Es dauert nicht mehr lange. Bald bekommen wir Wasser.«
Graubrand und der Eisenhand gelang es irgendwie, trotz ihrer schweren Last auf den Beinen zu bleiben. Obwohl sie schwächer als Branl und Clyme wirkten, schafften sie es gemeinsam, Graubrands Brustpanzer zu tragen.
»Also los!«, forderte Kaltgischt den Mähnenhüter keuchend auf. »Bevor uns unser letztes bisschen Kraft verlässt.«
Mahrtür wandte sich rasch Covenant zu. Seine knappe Verbeugung, bevor er sich abwandte, war ein Versprechen. Von Bhapa geleitet führte er Clyme und Branl, Kaltgischt und Graubrand aus der Senke hinaus. Die beiden Schwertmainnir schwankten gefährlich, aber sie hielten sich aufrecht. Unbezähmbar blieben sie auf den Beinen und marschierten weiter.
Covenant fühlte sich, als hätte er sie im Stich gelassen - obwohl er nicht hätte sagen können, wodurch. Sein Gefühl der Enttäuschung von sich selbst schien keinen bestimmten Namen zu haben.
Jedenfalls hatte er Linden im Stich gelassen.
Eine Zeit lang vergaß er, ihr Haar zu streicheln. Seine Schultern sackten herab, sodass seine verstümmelten Hände im Sand ruhten. Wie seine Erinnerungen drohte ihre Steifheit, ihn in das von Rissen durchzogene Labyrinth der Vergangenheit zu ziehen. Aber dann murmelte er einen Fluch und zwang sich dazu, die Arme wieder zu heben.
Das Gefühl, Linden zu berühren, blieb ihm verweigert. Nur die wiederholte Sanftheit seiner Liebkosungen konnte ihn ein wenig trösten. Aber
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