0900 - LAIRE
vor.
„Glaubst du, daß sie wirklich gelebt haben?" fragte der Gehilfe.
„Vielleicht sind es nur Gestalten einer erfundenen Geschichte, die uns in die Verantwortung nehmen soll."
„Für mich haben sie gelebt!" rief Kemen-Ortep. Er nahm den Beutel und ging davon.
Das war es! dachte Muden-Sprengan, während er dem Alten nachstarrte. Das war die Methode, wie man ein solches Leben zwischen zwei Impulsen ertragen konnte. Man mußte an die Vergangenheit und an die Bestimmung der Loower glauben.
Wie alt muß ich werden, um es zu lernen? fragte sich Muden-Sprengan.
*
Manchmal hockte Laire jahrelang auf dem Sockel der Unberührbarkeit und bewegte sich nicht. Er konnte den Prozeß seiner Überlegungen nicht abstellen, obwohl er sich nichts sehnlicher als das gewünscht hätte, und er war auch nicht in der Lage, seiner Existenz aus eigener Kraft ein Ende zu bereiten, denn seine Erbauer hatten ihn mit einer entsprechenden Hemmnisschaltung ausgerüstet. Die Einsamkeit des Roboters war so vollkommen, daß er einen noch dümmeren Anhänger als der konische Tork es gewesen war, mit Freuden akzeptiert hätte. Das stupide Einerlei von Laires Dasein wurde nur unterbrochen, wenn der RUF an die sieben Mächtigen erging, und sie auf seine Ebene kamen, um den Einsatz vorzubereiten.
Die Treffen der sieben Mächtigen waren die einzige Abwechslung für Laire, aber sie fanden in so großen zeitlichen Abständen statt, daß er sich nach einer gewissen Zeit immer fragte, ob er nicht einer Halluzination erlegen war. Laires Einsamkeit gebar schließlich einen Traum, der zu einer fixen Idee wurde. Er beschloß, sich auf die Suche nach dem gestohlenen Auge zu begeben. Nur wenn er es zurückeroberte, konnte er sich wieder in die Bereiche jenseits der Materiequellen begeben, in sein eigentliches Zuhause.
Nur dort würde seine schreckliche Verlassenheit ein Ende haben. Der Roboter wußte, daß er nur eine Chance hatte, von der Ebene wegzukommen - im Sporenschiff eines der sieben Mächtigen.
Die Sporenschiffe durchquerten weite Gebiete des Universums, und nur auf diese Weise würde er vielleicht eine Spur seines Auges finden. Da er unendlich viel Zeit hatte, rechnete er sich aus, was die Fremden mit dem Auge wohl angefangen hatten. Dabei kam er zu dem Schluß, daß sie es sicher nicht behalten hatten.
Als intelligente Wesen mußten sie früher oder später bemerkt haben, daß der Besitz des Auges mit Gefahren verbunden war. Es war möglich, daß sie aus dieser Erkenntnis heraus das Auge zerstört hatten. Noch wahrscheinlicher erschien Laire jedoch, daß sie das Auge versteckt hatten, um es zu einem späteren Zeitpunkt, wenn sie in ihrer Entwicklung einen Stand erreicht hatten, der ihnen den Umgang damit erlaubte, wieder zu holen. Er war sich darüber im klaren, daß keiner der sieben Mächtigen ihn freiwillig mit an Bord eines Sporenschiffs nehmen würde. Das bedeutete, daß er unbemerkt an Bord gehen mußte, sozusagen als blinder Passagier. Dieses Problem beschäftigte ihn mehrere Jahrhunderte und er tat kaum etwas anderes, als über die Lösung nachzudenken. Er tüftelte einen Plan aus, der ihm so perfekt erschien, daß es keinen Fehlschlag geben konnte. Dabei überließ er nichts dem Zufall, er legte sogar fest, welches Schiff es sein würde. Er wählte die PAN-THAU-RA aus, das Sporenschiff des Mächtigen Bardioc. Die Wahl fiel nicht etwa auf dieses Schiff, weil es besser oder schöner gewesen wäre als die sechs anderen, sondern weil Bardioc der Besitzer war. Laire wußte nicht, warum, aber Bardioc erschien ihm weniger weltentrückt als die sechs anderen, er war während des Aufenthalts der Mächtigen auf der Ebene am ehesten geneigt, Laire Aufmerksamkeit zu schenken und sich über die zeremoniellen Abläufe hinaus mit ihm zu beschäftigen. Laire dürstete nach solchen intellektuellen Zuwendungen, aber er durfte das natürlich nicht zeigen. Es war absurd und außerdem völlig unrobotisch, aber Bardioc genoß von allen Mächtigen seine größte Zuneigung. Als der RUF endlich wieder erging und der Einsatz der Sporenschiffe bevorstand, bereitete Laire sich auf die Durchführung seines Planes vor. Er hatte nicht vor, die Ebene sofort zu verlassen, denn jede übertriebene Eile barg den Keim eines Scheiterns in sich. Er hatte solange allein und in Einsamkeit gelebt, daß er durchaus bereit war noch ein paar Jahrtausende zu warten. Mit der bevorstehenden Ankunft der sieben Mächtigen sollte sozusagen eine Generalprobe des Planes
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