0901 - Die Zweidenker
sich verändert hat."
„Darauf falle ich nicht herein", sagte Haman, der sich nur zu deutlich daran erinnerte, wie perfekt die Illusion des Loöwers gewesen war, auf den er das Feuer eröffnet hatte.
Dabei war es bloß eine immaterielle Projektion gewesen. Er hätte sich deshalb ohrfeigen können. Eine zweite Chance, einen Loower vor den Strahler zu bekommen, würde es nun nicht mehr geben. „Ihr könnt mir alles mögliche vorgaukeln. Aber ich weiß, was ich weiß. Für mich herrscht Krieg zwischen Terranern und Loowern, und nur wenn ich zur Erde zurückkehre und alles wie früher vorfinde, will ich etwas anderes glauben."
„Du kannst gehen, Haman."
Haman durchsuchte den kahlen Raum nach einer verborgenen Tür.
Nachdem seiner Suche kein Erfolg beschieden war, kehrte er in den Wohntrakt zurück. Hinter ihm fiel die Tür zu, und als er sich daran versuchte, ließ sie sich nicht wieder öffnen.
Es hatte auch keinen Sinn, sie mit dem Strahler gewaltsam aufzubrechen zu versuchen. Er hatte es schon einmal versucht und dabei feststellen müssen, daß sich bei einer Energieentladung ein Absorberfeld aktivierte.
Haman blieb einige Minuten an der Tür stehen, um sich zu beruhigen, dann kehrte er ins Schlafzimmer zurück. Als er dem Blick seiner Frau begegnete, schüttelte er den Kopf. Sie wußte, was das bedeutete und welche Konsequenz er daraus ziehen mußte. Sie hatten schon alles besprochen, und Aldina hatte ihr Einverständnis gegeben.
Sie sprang vom Bett auf, lief zu ihm und umarmte ihn. „Bitte tu es, Haman", sagte sie mit tränenerstickter Stimme. Dabei preßte sie ihren Körper fest gegen den Lauf der Strahlenwaffe. „Mach schnell, bevor mich der Mut verläßt."
Er schloß die Augen und drückte ab.
Nichts passierte. Er drückte wieder ab, und immer wieder. Aber der Strahler zündete nicht.
Mit einem Wutschrei stieß Haman seine Frau von sich, setzte sich die Waffe an die Brust und schaltete auf Dauerfeuer. Aber die Waffe zeigte keine Reaktion, als sei sie ohne Energie.
Wütend schleuderte er den Strahler von sich, sank zu Boden und ließ sich gehen. Er konnte es nicht verwinden, daß ihnen die Loower nicht einmal die Möglichkeit gelassen hatten, sich durch Freitod ihrem Zugriff zu entziehen.
Die Speisen sahen verlockend aus, aber Haman rührte sie nicht an. „Ich habe Hunger", sagte Kerinnja und blickte scheu zu ihm. „Du wirst nichts davon anrühren", sagte Haman streng. „Keiner von uns wird die Speisen anrühren. Wir befinden uns im Hungerstreik."
Als Baya verstohlen nach einer der Köstlichkeiten auf dem Tablett greifen wollte, schlug ihre Mutter ihr auf die Finger. „Hast du verstanden?" schalt sie ihre jüngste Tochter. „Es gilt immer noch Vaters Wort."
„Aber wozu das, Haman?" fragte Kerinnja. „Du glaubst doch nicht, die Loower hätten die Speisen vergiftet.
Es ist auch nicht anzunehmen, daß sie uns ungewollt falsch ernähren. So weit kennen sie uns längst schon, um zu wissen, was wir zum Leben brauchen.
Wieso also dieser Hungerstreik?"
Haman schwieg verbissen. Er war enttäuscht, daß ihm seine eigene Tochter in den Rücken fiel. Seit sie für einige Stunden aus ihrem Wohntrakt verschwunden und von den Loowern behandelt worden war, schien sie wie ausgewechselt.
Kerinnja war ruhiger und gefaßter, und sie hatte ihre Meinung über die Loower geändert. Sie glaubte ihnen mehr als ihm, ihrem Vater, und sie hatten sie davon überzeugt, daß keine Invasion der Erde stattgefunden hatte. Haman war enttäuscht von ihr. „Es gilt immer noch das Wort deines Vaters - auch ohne viele Fragen", wiederholte Aldina. „Und keine Diskussion darüber."
„Aber was für einen Sinn hat das?" sagte Kerinnja. „Wem nützt es, wenn wir verhungern? Die Loower haben mir recht plausibel erklärt, daß sie nichts weiter wollen, als uns Verständnis für ihre Lage beizubringen.
Wir werden doch nicht gleich zu Verrätern an der Menschheit, wenn wir versuchen, sie zu verstehen."
„Alles Lug und Trug", sagte Aldina. „Du weißt es nicht besser, mein Kind, und ich will dir keinen Vorwurf machen.
Es ist leicht für die Loower, deinen unreifen Geist zu beeinflussen.
Sie sind intelligent und gerissen und keine Barbaren. Dennoch sind sie verfluchte Mörder. Die Loower sind unsere Feinde, Karinnja."
„Du redest Unsinn, Aldina", sagte Kerinnja. „Tochter!"
Haman fuhr herum und bedachte Kerinnja mit einem strafenden Blick. Sofort senkte sie verschüchtert den Kopf und wich seinem Blick aus. Unter dem
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