0901 - Die Zweidenker
Durchschnitt.
Bei den beiden weiblichen Jungterranern handelt es sich natürlich um die leiblichen Kinder der Erwachsenen."
Hergo-Zovran war es nicht unbekannt, daß die Terraner in Familienverbänden zusammenlebten. Er hatte auf seinen Reisen durch die Galaxien viele Fremdvölker kennengelernt, bei denen es Brauch war, daß Kinder von ihren leiblichen Eltern großgezogen und behütet wurden.
Aber in der Regel traf man diese Sitte nur bei unterentwickelten Völkern an, die noch nicht die Raumfahrt kannten. Wenn ein Volk nach den Sternen griff, dann hatte es sich zumeist auch soziologisch und geistig weiterentwickelt und zu einer dem kosmischen Gedanken entsprechenden Form des Zusammenlebens gefunden.
Aber wie konnten sich Kinder weiterentwickeln, wenn sie von ihren Eltern erzogen und nach deren Idealen geformt wurden? Diese Form der Erziehung war eine repressive.
Es war unter diesen Umständen unerklärlich, wie die Menschen in dieser Galaxis ihre Position behaupten konnten, ja, sogar eine führende Rolle gewonnen hatten. Wahrscheinlich wären sie schon viel weiter - und mächtiger -, wenn sie weniger traditionsverbunden gewesen wären und die Sitten und Gebräuche ihrer Vorväter nicht zu den Sternen getragen hätten.
Die Kinder der Loower kannten ihre Eltern nicht. Sie wuchsen frei und ohne die Diktatur eines Erziehers auf, wurden nicht dressiert und nicht nach Idolen oder Leitbildern geformt. Loowerkinder konnten sie selbst sein.
Einen heranreifenden Loower brauchte man nicht zur Entelechie zu zwingen. Er fand allein zu ihr. Einem Loower brauchte nicht eingehämmert zu werden, daß er nur im Kollektiv mit den anderen ein vollwertiger Loower war. Darauf kam er von selbst. Und niemand brauchte einem Loower zu sagen, daß es keinen erstrebenswerteren Lebensinhalt als die Auffindung jener einen Materiequelle gab. Das sagte ihm sein Verstand.
Das war der beste Beweis dafür, daß Intelligenzwesen schon von ihrem ersten Atemzug, schon vom ersten Schrei der Geburt an, mündig waren. Aber soweit, um dies zu erkennen, waren die Terraner nicht.
Und hätte es sich bei ihnen nicht um so schnellebige Wesen gehandelt, um wahre Evolutionsstürmer, hätten sie in diesem Universum vermutlich keine Überlebenschance gehabt. Sie wurden von ihrer eigenen technischen Entwicklung überrollt und schafften es auf fast wundersame Weise dennoch, geistig hoffnungslos nachhinkend, sich auf einem die Existenz sichernden Niveau zu halten.
Aber das waren längst Binsenweisheiten.
Diese Asspekte der terranischen Zivilisation wären bekannt, wenn sie deshalb noch lange nicht verständlicher wurden. „Das ist keine Antwort auf meine Frage", sagte der Türmer. „In welchem Zustand befinden sich die vier Terraner?"
„Bedingt durch ihre psychische Instabilität und durch die Tatsache begründet, daß sie monoide Gehirne haben, also keine zwei Bewußtseine", führte Lank-Grohan umständlich aus, „haben sie einen Schock erlitten.
Ihr Nervensystem ist erschüttert, ihr Gefäßsystem zeigt Lähmungserscheinungen.
Das wirkt sich bei jedem von ihnen anders aus. Haman, das Familienoberhaupt, läßt verstärkte Aggressionen erkennen. Aldina, die Mutter, ist introvertiert und fast unansprechbar. Kerinnja, die ältere Jungterranerin, zeigt Anzeichen von Hysterie - ein Zustand, jenem ähnlich, der bei einem Loower eintreten müßte, wenn er dem Feind gegenüberstünde.
Baya dagegen, die jüngste Terranerin, scheint ihre Furcht zu überkompensieren, indem sie sich betont unbefangen gibt. Aber mit ihr läßt es sich wenigstens am leichtesten arbeiten. Sie zeigt sich sehr aufgeschlossen. Schwer zu sagen, wie sie reagieren wird, wenn die Schockwirkung nachläßt."
„Wird das lange dauern?"
„Die Terraner besitzen Medikamente, um den Schock wirkungsvoll zu bekämpfen", antwortete Lank-Grohan. „Aber es wäre für uns zu riskant, diese zu beschaffen. Ich glaube jedoch, den Schock mit psychologischen Therapien abbauen zu können."
„Melde es mir, wenn die terranischen Versuchspersonen wieder normal sind", sagte der Türmer abschließend. „Ich werde mich dann mit ihnen befassen."
Damit unterbrach er die Verbindung und widmete sich einem aktuelleren Thema: Goran-Vran, dem loowerischen Mittelsmann auf Terra.
Aber die Bild-Ton-Aufzeichnung von dessen Eintreffen in dem terranischen Stützpunkt Imperium-Alpha brachte keine neuen Erkenntnisse.
Goran-Vran wurde von den Wissenschaftlern an ein Gremium terranischer Militärs weitergereicht und
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