0902 - Zurück zu den Toten
Daseins wollte sie nicht hinnehmen. Vampire waren keine Menschen, sondern lebende Tote, und sie würden sich deshalb auch nicht benehmen wie Menschen, sondern unberechenbar sein auf der Suche nach Blut.
Sie hatte nicht gesehen, daß sie von Amanda beobachtet worden war, und sie hörte die Frage ihrer Schwester. »Du freust dich nicht - oder?«
»Nein.«
»Hast du Angst?« Olivia nickte.
»Du brauchst keine Angst zu haben. Sie werden uns nichts tun, denn sie brauchen uns. Du weißt, was uns damals der Besucher gesagt hat? Erinnerst du dich noch?«
»Ja, diese Gestalt mit dem Buchstaben auf der Stirn.«
»Genau, sie hat die Veränderung schon angekündigt. Deshalb werden wir sie ins Haus lassen und uns mit ihnen freuen.«
Olivia schwieg. Sie trat vom Fenster weg. Den Kopf hielt sie gesenkt wie eine Büßerin.
Ganz anders Amanda. Sie lehnte sich vor und stützte sich auf der schmalen Fensterbank an.
Die drei Fremden waren nicht mehr da!
Irritiert verzog sie ihr Gesicht. Damit hatte sie nicht gerechnet. Sie war davon überzeugt gewesen, daß die Gestalten an der Haustür erscheinen würden und…
Doch, da sah sie einen von ihnen. Er befand sich dicht an der Hauswand, und Amanda hatte sich schon weit vorbeugen müssen, um ihn überhaupt zu sehen.
Er stand dort, wo sich ein Kellerfenster befand, und der hatte sich gebückt, um in den Raum hineinschauen zu können. Die beiden Frauen hielten dort ihren unwillkommenen Gast gefangen, und wenn der Vampir ihn sah und auch dessen Blut roch, würde er um so lieber ins Haus kommen.
Amanda wandte sich vom Fenster ab. Sie drehte sich zackig um. Olivia stand an der Tür. Obwohl kein Licht brannte, war zu sehen, daß sie zitterte.
Gelassen schloß Amanda das Fenster. Dann nickte sie. »So, wir können gehen.«
»Muß ich mit?«
»Ja, du gehst mit!« Es klang wie ein Befehl.
»Und was geschieht dann?«
»Wir lassen sie rein.«
»So wird es wohl sein«, flüsterte Olivia, die den Kopf senkte und sich umdrehte. Sie betrat als erste den Flur, in dem nur ein schwaches Licht brannte. Amanda hatte die Birnen ausgewechselt. Sie wußte, daß Vampire nicht unbedingt scharf auf helles Licht waren, und sie wollte es ihnen so angenehm wie möglich machen.
Auf dem Weg zur Treppe überholte sie ihre Schwester, drehte sich kurz um und sagte lächelnd. »Freu dich doch…«
»Ich versuche es.« Die Antwort klang nicht eben überzeugend.
Gemeinsam gingen die Schwestern die Treppe hin nach unten, wo sich auch die Haustür befand. Noch hatte sich dort nichts getan. Kein Fremder hatte geschellt. Es blieb ruhig, aber sie wußten beide, daß die unheimlichen Gäste nur auf den Einlaß warteten, was auch zu hören war, denn die schlugen von außen gegen die Tür.
Die dumpfen Laute hallten den Frauen entgegen. Amanda beschleunigte ihre Schritte, während Olivia im Hintergrund der geräumigen Diele zurückblieb.
Früher hätte sie gebetet, heute fehlten ihr einfach die Worte, um ein Gebet zu sprechen.
Amanda Serrano hatte die Tür erreicht. Sie öffnete sie nicht vorsichtig, sondern mit einem Ruck.
Drei unheimliche Gestalten mit Hüten auf den Köpfen standen ihr gegenüber.
»Kommt«, flüsterte sie, »kommt endlich herein…«
Die drei Vampire betraten das Haus…
***
Shao und Suko hatten die kleine Stadt Tiptree ohne große Schwierigkeiten erreicht. Sie fuhren durch einen Ort, der in eine abendliche Ruhe eingehüllt worden war. Nur wenige Menschen befanden sich im Freien, auch die Anzahl der Fahrzeuge hielt sich in Grenzen. Bei dieser Witterung ging man lieber nicht hinaus.
»Und wie geht es weiter?« fragte Shao. »Wie willst du das Haus der Schwestern finden? Wir sollten jemanden fragen, der sich auskennt. Die Polizei wäre am besten.«
»Unter anderem«, erwiderte Suko, ging vom Gas und traf Anstalten, an den Bordstein heranzufahren.
»He, was ist los? Ich sehe hier keine Polizeistation.«
»Das ist auch nicht nötig, meine Liebe.« Suko lächelte ihr zu. »Sieh ebenfalls nach links, dann wirst du erkennen, was ich meine.«
Shao tat es, aber sie kam nicht damit zurecht. »Was meinst du denn nun, Suko?«
»Die WOK-Reklame dort.«
»Ach, das gelbe Schild.«
»Genau.«
Shao lächelte. »Ich weiß Bescheid.« Zugleich mit Suko stieg sie aus dem BMW, mit dem sie Suko auch hatte abholen wollen. Der Inspektor schloß und ging neben Shao her, die sich schon auf dem Weg zu diesem chinesischen Schnellimbiß mit dem Namen WOK befand.
Er war in einer freiliegenden Einfahrt
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