0902 - Zurück zu den Toten
untergebracht. Nebenan befand sich ein Geschöpf, das Fahrräder und entsprechendes Zubehör verkaufte.
»So«, sagte Suko, »dann wollen wir mal schauen.« Er öffnete die Tür links neben dem Schalter für den Straßenverkauf.
Sie betraten einen überheizten Raum, in dem es nach irgendwelchen Gewürzen und Soßen roch. Aus der freiliegenden Küche strömten die Gerüche ebenso wie die mächtigen Dampfwolken, die sich über der Bratplatte verteilten. Ein dicker, fast kahlköpfiger Chinese kochte und briet, während eine zierliche Frau für das Spülen und Kassieren zuständig war. Im Hintergrund standen drei Tische mit Stühlen. Ein Tisch nur war besetzt. Dort hockten Jugendliche und aßen geräuschvoll ihre Frühlingsrollen.
»Oh, fremder Besuch«, sagte der Koch. Er wischte sich die Hände an der Schürze ab und schaute die neuen Gäste an. »Was darf es denn aus meiner Küche sein?«
»Wir hätten eine Frage.«
»Ihr wollt eine Antwort.«
»Wenn möglich - ja.«
Der Koch deutete eine Verneigung an. »Wenn fremde Vettern kommen, bin ich ihnen gern behilflich.«
»Das hatte ich mir gedacht«, sagte Suko, »deshalb haben wir auch hier angehalten.«
»Um wen geht es?«
»Nicht um einen unserer Vettern. Wir suchen zwei Frauen, die hier in der Nähe leben sollen. Sie heißen Serrano und sind Geschwister.«
»Ah - die beiden.«
»Du kennst sie?«
»Ja, man kennt sie hier, aber sie haben mich noch nicht besucht.«
»Wie kommen wir zu ihnen?«
»Das ist einfach.« Der dicke Koch lächelte, und die kleine Frau lächelte ebenfalls. »Ich werde es euch aufzeichnen.« Er holte einen Zettel und einen Bleistift.
Am Tisch drehte sich jemand um. Suko hörte zuerst das Lachen, dann sah er das picklige Gesicht eines weißblonden und sehr kompakten Jugendlichen auf sich gerichtet. »Was wollt ihr denn von den beiden alten Printen? Die sind doch schon eingetrocknet.« Da die anderen lachten, konnte sich Suko Zeit mit der Antwort lassen.
»Nur besuchen, mehr nicht.«
»Ach ja?«
»Glaub es mir.«
»So, hier ist die Beschreibung.« Der Koch reichte Suko den Zettel rüber.
»Danke sehr.«
Gleichzeitig zischelte Shao. »Gib acht.«
Suko schaute hoch. Der Pickelknabe war aufgestanden und kam schaukelnd auf sie zu. Die anderen drei blieben hocken, grinsten aber breit. Sie freuten sich auf eine Abwechslung in der Einöde ihrer Langeweile, und auch das Pickelgesicht war soweit. »He, ich will jetzt wissen, was ihr von den beiden Weibern wollt?«
»Sie besuchen«, erwiderte Suko geduldig.
»Da können wir ja mitfahren.«
»Lieber nicht.« Suko steckte den Zettel ein und nickte dem Koch dankend zu.
Das Pickelgesicht ärgerte sich wegen der Mißachtung seiner Person.
»Gut, du kannst fahren, aber laß uns deine Kleine hier. Hol sie dir später wieder ab.« Er legte Shao die Hand mit den schmutzigen Fingernägeln auf die Schulter, und sein Grinsen sagte alles.
Eine Sekunde später grinste er nicht mehr. Da hatte Shao zugeschlagen.
Man hörte nur ein Klatschen, als ihre Hand links und rechts gegen die Pickelwangen des Knaben donnerte, der heulend zurückwich und Glück hatte, daß er sich auf einen Stuhl und nicht daneben setzte. Die Wangen waren rot angelaufen, sogar Tränen schimmerten in seinen Augen, und alle hörten das leise Lachen des Kochs.
»Ja, ja«, sagte er dann. »So geht es Rocky immer, wenn er eine zu große Klappe hat.«
»Manchen Typen muß man eben hart antworten«, sagte Shao und wandte sich zum Gehen.
»Viel Glück!« rief ihnen der Koch nach, und die kleine Frau neben ihm lächelte noch immer.
Rockys Freunde griffen nicht ein. Sie ahnten, daß sie den kürzeren ziehen würden, und deshalb ließen sie die Gäste auch friedlich gehen.
»Manche lernen es eben nie«, sagte Shao, als sie auf dem Gehsteig standen.
»Solche Typen wird es immer geben, was willst du machen?« Sie stiegen in den BMW.
»Ist es noch weit?« fragte Shao.
»Bestimmt nicht.« Im Licht der Innenleuchte schauten sie sich den Zettel gemeinsam an und stellten fest, daß sie durch den Ort fahren mußten und dabei ein Möbelhaus passierten. Danach ging es dann einige Yards weiter rechts ab in die Einsamkeit einer flachen Landschaft. Die Straße allerdings führte nicht am Haus vorbei. Um dorthin zu gelangen, mußten sie über einen Feldweg fahren.
»Das werden wir finden«, sagte Shao. »Ich denke schon.«
»Und was noch?«
Suko ließ den Motor an. »Frag mich das bitte, wenn wir die Schwestern erreicht
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