0903 - Nächte der Angst
den sie einfach hassen mußte. Sie wollte es nicht mal ansehen, denn die andere Seele in ihrer Brust hatte wieder die Oberhand gewonnen.
Mit müden Schritten trat sie an ihren Stuhl heran und ließ sich darauf nieder. Sie schaute über die Schreibtischplatte hinweg, sah auch das Telefon und daneben die integrierte Gegensprechanlage, durch deren Hilfe sie sich mit einem Besucher unterhalten konnte, der vor der Tür stand und Einlaß begehrte.
Es war wie abgesprochen, denn kaum hatte sie daran gedacht, als sie die Klingel hörte. Das Geräusch surrte durch das Haus und war auch oben zu hören.
Vera bewegte ihren Arm müde nach vorn und drückte einen kleinen Knopf. Jetzt war die Verbindung mit der Außenwelt hergestellt. Die Frau bemühte sich, ihrer Stimme einen normalen Klang zu geben, als sie fragte: »Ja bitte, wer ist dort?«
»Ich bin es!«
Eine Glutwelle schoß ihr ins Gesicht.
»Du?«
»Ja, Vera, mach auf…«
»Okay«, flüsterte sie. »Komm rein Alex…«
***
Lou Ryan sah die Straße glatt und ohne Hindernisse vor sich liegen, und es war die Straße des Siegers. Auf ihr fühlte er sich wohl, sie hatte er betreten, und er würde sie auch weitergehen, bis zu ihrem Ende, ohne je gestört zu werden.
Er war zufrieden, sehr zufrieden sogar. Die kleine Blutüberraschung war ihm gelungen. Er hatte das Blut der Schafe zuvor in zwei Eimern gesammelt und sie in der Kirche ausgekippt. Den Pfaffen hatte er schocken können, aber auch Vera Tanner, die in einem derartigen Zwiespalt stand wie nie zuvor in ihrem Leben. Sie war bald reif, denn schon jetzt wußte sie nicht mehr so richtig, zu wem sie gehörte.
So etwas war ideal. Das war die Beute für ihn, und er freute sich schon jetzt auf den krönenden Abschluß, wo sie endgültig auf die andere Seite überlaufen würde.
Es lief gut, es lief sehr gut. Sogar in Veras Büro war er eingedrungen und hatte das Kreuz auf den Kopf gestellt.
Lou kicherte, als er daran dachte. Wie einfach es doch gewesen war. Überhaupt hatte es für ihn keine Schwierigkeiten gegeben, auch wenn er an die beiden Serrano-Schwestern dachte. Sie hatten ihm den geheimnisvollen Ort mit den Steinen gezeigt, und er hatte sehr genau gespürt, daß dieser Ort anders war.
Magisch - dämonisch?
So genau konnte er es nicht sagen, aber irgend etwas gab es dort, das seinen Plänen sehr entgegenkam, denn Zwischen den Steinen lauerte einfach die andere Kraft.
Es tat ihm gut, dies zu wissen. Für eine Weile schaute er auf das Messer. Es war eine besondere Klinge, geschaffen aus einem besonderen Werkstoff, und er liebte sie. Sie spielte in seinem weiteren Leben noch eine gewichtige Rolle, das wußte er auch, denn mit dieser Klinge würde er dem Satan die Opfer weihen, und die Hölle selbst würde ihn mit offenen Armen empfangen.
Eile hatte er nicht. Der Samen war gelegt worden. Jetzt mußte er nur warten, bis die Saat aufging, und sie würde aufgehen, davon war er überzeugt.
Der Platz nahe den Bäumen war gut gewählt. Er konnte die Kirche im Auge behalten und auch das Pfarrhaus, in dem seine kleine Freundin verschwunden war.
Wie mochte es ihr jetzt wohl gehen? An was würde sie denken? An ihn oder an…
Er wurde in seinen Gedanken gestört, denn vom Haupteingang her näherte sich ein Fahrzeug. Es war ein Fiat, ein älteres Baujahr. Der Fahrer steuerte den Parkplatz an und stellte den Wagen neben Veras Fiesta ab.
Lou Ryan war hinter den Baumstamm getreten, stand aber so, daß er den Parkplatz überblicken konnte. Er sah, daß sich die Fahrertür des Wagens öffnete und ein junger Mann ausstieg.
Ryan fiel es wie Schuppen von den Augen!
Verdammt, er kannte den Fiat. In der vergangenen Nacht hatte er ihn gesehen, und er kannte auch den Fahrer, dem er den Bluthund auf den Hals geschickt hatte.
Es war Alex Preston!
Eine Haßwelle schlug in ihm hoch. Wenn jemand noch eine Chance hatte, ihm Vera zu entreißen, dann war es Preston. Er liebte die Frau, und Liebe war genau das, was Ryan haßte.
Preston eilte mit langen Schritten an der Kirchenmauer entlang und auf das Pfarrhaus zu. Lou Ryan sah er nicht. Der tauchte erst wieder auf, als Preston vor der Tür stand und wenig später ein gelassen wurde.
Ryan nickte.
Okay, das Spiel ging weiter.
Mit schleichenden Schritten setzte er sich in Bewegung. Sein neues Ziel war das Pfarrhaus…
***
Vera Tanner saß wie angenagelt auf ihrem Platz, als Alex das Büro betrat und mit einem Blick sah, was sich da verändert hatte. Er sagte nichts, aber sein
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