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0906 - Das Vermächtnis der Hexe

0906 - Das Vermächtnis der Hexe

Titel: 0906 - Das Vermächtnis der Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Fröhlich
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Lenkrad. Alles Plastik. Einen Schalthebel oder eine Handbremse sah er nicht.
    Rhett ging auf die Knie, legte sich schließlich auf den Rücken und schob seinen Oberkörper unter den Golf.
    Ihm stockte der Atem, als er genau das sah, was er befürchtet hatte.
    Der Unterboden des Wagens war eine geschlossene Plastikplatte, in die mit großen, nach rechts geneigten Buchstaben ein Wort geprägt war: MATCHBOX.
    Er kroch unter dem Auto hervor, stand auf und atmete tief durch.
    MATCHBOX!
    Dieser Golf war nichts weiter als ein blödes Spielzeugauto!
    Und es war nicht etwa auf die Größe eines richtigen Autos gewachsen, sondern Rhett war geschrumpft!
    In Gedanken versunken schlurfte er zurück zum Bushäuschen.
    Jetzt war ihm alles klar! Das Einzige, was er im Nebenzelt des Spielzeughändlers entdeckt hatte, war ein großer Tisch. Er war von einem schwarzen Tuch verdeckt gewesen, das wie ein Moskitonetz an einem Haken im Zeltgestänge befestigt war. Nur die Tischbeine schauten darunter hervor.
    Er hatte sich gerade enttäuscht abwenden wollen, als eine Stimme hinter ihm gesagt hatte: »Unter dem Tuch ist meine Spielzeugeisenbahn. Sieh sie dir in aller Ruhe an!«
    Die Stimme hatte Französisch gesprochen, aber mit deutlich hörbarem deutschen Akzent.
    Dann hatte er einen harten Griff an der Schulter gespürt und ihm war schwindlig geworden. Schließlich musste er das Bewusstsein verloren haben.
    Die Stimme! Es war genau die gleiche gewesen, die er auch auf dem Bahnsteig gehört hatte. Die Stimme des Spielzeughändlers.
    Er musste ein Schwarzmagier sein, der sie geschrumpft hatte, um seine Eisenbahn mit ihnen zu bevölkern.
    Der Zug, der Bahnhof, die aufgemalte Uhr, die geruchlosen Blumen. Alles nur Dekoration! Selbst die Schmierereien auf dem Fahrplan ergaben einen Sinn: Im Original wäre eine Schrift so klein gewesen, dass man sie ohnehin nicht hätte lesen können, also hatte der Hersteller darauf verzichtet und die Buchstaben nur vorgetäuscht.
    Die Sonne war auch keine Sonne, sondern eine Lampe, und der schwarze Himmel war das Tuch, mit dem der Tisch abgedeckt war.
    Ach ja, und das Dauergebrabbel, das er hörte, war die Geräuschkulisse des Karnevalsmarkts, die durch das Zelt und das Tuch nur gedämpft zu ihm vordrang.
    Alles war plötzlich vollkommen klar!
    Nun ja, fast alles, denn wie die böse Frau mit dem weißen Gesicht in das Bild passte, wusste er noch nicht. Aber er war fest entschlossen, es herauszufinden.
    »Ich weiß jetzt, wo wir sind«, begann er, als er das Bushäuschen erreichte. »Die gute Nachricht ist: Wir sind immer noch auf dem Karnevalsmarkt. Die schlechte ist…«
    Das Bushäuschen war leer.
    Ein eisiger Schauer überzog ihn.
    Mist! Er hätte Jack und Margret nicht alleine lassen dürfen! Aber er war von seiner Entdeckung so aufgeregt gewesen!
    »Jack? Margret? Wo seid ihr?«
    Rhett verließ das Bushäuschen.
    »Jack?«, schrie er. »JACK?«
    Er ging an den Shrinking Sausages vorbei und schaute hinter das Häuschen.
    »Jack?«
    Er machte ein paar weitere Schritte, spähte um das nächste Eck - und sah genau in ein schneeweißes, freundliches Gesicht. Dann schoss eine genauso weiße, aber erheblich unfreundlichere Faust auf ihn zu, traf ihn an der Schläfe und zerrte ihn in die Finsternis der Bewusstlosigkeit.
    ***
    17.02.1809
    Matthias stellte den Korb mit seinen Einkäufen auf den Boden des Ladens und kratzte sich am Kopf.
    »Henriette? Ich bin wieder da!«
    Er hatte kein gutes Gefühl, als die Antwort ausblieb. Hatte dieser brandige Geruch schon in der Luft gelegen, als er vorhin zum Markt aufgebrochen war? Er glaubte nicht.
    »Henriette?«
    Vielleicht war sie unten bei dem Jungen.
    Matthias ging um den Tresen herum, steuerte auf die Kellertür zu - und verharrte. Er hatte das Aschehäufchen entdeckt.
    Wo kam das denn her? Warum hatte Henriette im Laden etwas verbrannt? Das war außerordentlich leichtsinnig von ihr!
    »Matthias!«, hörte er ihre leise Stimme. Sie kam aus der Richtung des Kellers. Also war sie wirklich bei dem Jungen.
    Er machte einen Storchenschritt über die Asche und streckte die Hand nach dem Türgriff aus. Da hörte er die Stimme erneut.
    »Nicht da unten, du Schwachkopf!«
    Matthias zuckte zusammen und machte einen kleinen Schritt zurück. Henriette schien wieder einmal schlechter Laune zu sein. Meistens war sie sehr nett zu ihm, aber wenn etwas ihren Unmut erregt hatte, durfte er es ausbaden. Dann beschimpfte sie ihn und schlug ihn manchmal sogar.
    So ging das jetzt schon

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