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0906 - Das Vermächtnis der Hexe

0906 - Das Vermächtnis der Hexe

Titel: 0906 - Das Vermächtnis der Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Fröhlich
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geschlossen, das sein Gesicht gegen die Brust des Jungen drückte und leise vor sich hin wimmerte. Auf dem Rücken ihres rosa Anoraks war ein mit Mütze und Schal bekleideter Snoopy abgebildet, der einen Schneeball warf.
    Der Junge strich dem Mädchen mit langsamen Bewegungen über den Kopf.
    Als er Rhett sah, wurden seine Augen groß und füllten sich mit Angst.
    Rhett hob die Arme. »Ist ja gut! Ich tu euch nichts.« Er versuchte, seine Stimme so ruhig wie möglich klingen zu lassen.
    Offenbar war es ihm nicht gut genug gelungen, denn der Junge zuckte zusammen.
    »Gehörst du zu ihr?«, fragte er auf Englisch. Ein Zittern lag in seiner zerbrechlichen Stimme.
    Da erst wurde Rhett bewusst, dass er den Jungen auf Französisch angesprochen hatte. Da er mit seiner Mutter in Frankreich lebte, plauderte er bestenfalls mit Lady Patricia oder mit William auf Englisch, größtenteils unterhielten sie sich aber in Nicoles und Zamorras Muttersprache. Das war ihm wohl schon so in Fleisch und Blut übergegangen, dass er sich dessen vorhin gar nicht bewusst geworden war.
    Da schoss ihm noch ein anderer Gedanke durch den Kopf. Die dröhnende Stimme, die er gehört hatte, nachdem die Sonne aufgeflammt war - in welcher Sprache hatte sie eigentlich gesprochen? Rhett konnte sich nicht erinnern, weil er dem keine Bedeutung beigemessen hatte. War es Französisch gewesen? Er glaubte nicht, aber sicher konnte er es nicht mehr sagen. Er wusste nur noch, dass er die Stimme verstanden hatte.
    Bevor er seine Überlegungen vertiefen konnte, fiel ihm wieder der ängstliche Blick des Jungen auf.
    »Keine Angst! Ich tu euch nichts«, wiederholte er auf Englisch.
    »Gehörst du zu ihr?«, fragte der Junge noch einmal.
    »Wen meinst du?«
    »Die böse Frau mit dem weißen Gesicht.«
    Rhett schüttelte den Kopf. »Ich kenne keine böse Frau mit einem weißen Gesicht.«
    Der Junge schwieg für einige Sekunden. »Was war das für ein schwarzes Ding auf dem Bahnsteig?«, fragte er schließlich.
    Das Teermonster! Er hat mich mit dem Teermonster gesehen!
    Sollte Rhett ihm nun sagen, dass er zwar von keiner weißgesichtigen Frau wusste, aber der unfreiwillige Schöpfer des Fahrplanbuchstabenwesens war? Würde der Junge dann Vertrauen zu ihm fassen? Vermutlich nicht. Er würde Jack nur noch mehr Angst machen, als der ohnehin schon hatte! Rhett entschied sich für eine kleine Lüge, die aber gar nicht so weit von der Wahrheit entfernt war. »Ich weiß nicht, was das für ein Ding war. Es war plötzlich da. Und genauso schnell war es wieder weg. Aber es hat mir nichts getan, also wird es euch auch in Ruhe lassen.« Hoffentlich!
    »Aber du bist vorher ohnmächtig geworden! Das hab ich genau gesehen!«
    Rhett winkte ab. »Das war nichts weiter! Ich war nur müde… von der… von der… äh… langen Zugfahrt.«
    Oh ja, das klang wirklich voll glaubhaft! Glückwunsch!
    Trotzdem entspannte der Junge sich merklich. Die Angst verließ seine Augen. Auch das Weinen des blonden Mädchens ließ nach und versiegte schließlich ganz.
    »Ich bin Jack«, sagte er. »Und das hier ist meine Schwester Margret. Du musst der sein, auf den die böse Frau wartet.«
    Rhett runzelte die Stirn, dann stellte auch er sich vor. »Die böse Frau wartet auf mich?«, sagte er anschließend. »Ich weiß doch gar nicht, wer das ist. Wo sind wir überhaupt?«
    »In Neufeld«, sagte Jack. Er sprach es wie Njufeld aus.
    »Das weiß ich auch. Aber wo ist Neufeld? Was ist Neufeld? Seit wann seid ihr hier?«
    Jack zuckte mit den Schultern. »Zehn, zwölf Stunden? Weiß nicht genau. Seit wir hier sind, war's andauernd dunkel. Keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen ist.«
    »Zehn, zwölf Stunden? Ihr müsst umkommen vor Hunger und Durst!«
    »Nö, eigentlich nicht. Wir haben zwar weder was gegessen noch getrunken, Hunger und Durst hab ich aber trotzdem nicht.« Er stockte, dachte einen Augenblick nach. »Komisch, eigentlich.«
    Rhett bemerkte, dass auch er keinen Durst mehr hatte. Dabei hätte er noch vorhin am Bahnsteig alles für eine Cola gegeben. Oder für ein Schlurpi-Eis, was das betraf.
    »Hm… Vielleicht wird es irgendwie magisch unterdrückt«, murmelte er vor sich hin. In dieser Hinsicht war er ja einiges gewöhnt.
    »WAS?«, fragte Jack.
    »Nichts. Ich hab nur laut gedacht. Weißt du noch, wie ihr hierher…«
    Rhett unterbrach sich.
    Jack und Margret?
    Eine vage Erinnerung kämpfte sich durch Rhetts Hirnwindungen ans Licht. Als er mit Fooly auf dem Gang des Châteaus Montagne

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