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0907 - Imperium der Zeit

0907 - Imperium der Zeit

Titel: 0907 - Imperium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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die Bauherren dieser Kirche den Teufel selbst dazu brachten, an ihrem Bau mitzuhelfen. Und als dem Versucher schließlich klar wurde, welchem Herrn er da tatsächlich diente, warf er voller Wut einen Granitstein gegen die Außenwand des fertigen Domes. Das ist Jahrtausende her, doch der Stein liegt noch heute da.«
    »Eine schöne Geschichte«, lachte Nicole und versuchte, sich Lucifuge Rofocale beim Bau einer Kirche vorzustellen. Es wollte ihr nicht gelingen.
    »Aber deswegen haben Sie uns sicher nicht hergebeten«, drängte Zamorra. »Sondern?«
    Scheuerer nickte. »Folgen Sie mir.«
    Gemeinsam betraten sie die Kirche. Trotz des beachtlichen Aufgebots an Touristen und Schülern schien es in ihrem Inneren erstaunlich leer zu sein, was Nicole auf die immense Größe des Gebäudes zurückführte, in welchem sich selbst ein solcher Menschenauflauf noch recht schnell verlaufen konnte. Meterhoch ragten die kahlen und mit zahlreichen Verzierungen versehenen Steinmauern einem beeindruckenden Dach entgegen. Orgelpfeifen, edel eingefasst, hingen rechts an der Wand. Sitzbänke reihten sich in langen Bahnen dem in der Ferne gelegenen Altarraum entgegen und boten den Gläubigen Platz für eine stille Andacht.
    »Sehr römisch sieht's hier aber nicht aus«, murmelte Zamorra laut genug, dass Scheuerer ihn hören konnte, und sah Nicole gequält an, als nerve ihn die erneute Begegnung mit dem Deutschen schon jetzt. »Höchstens römisch-katholisch.«
    Scheuerer lachte und steuerte auf eine Kapelle zu, die an einer Seite des Innenraumes abzweigte. »Da liegen Sie schon ganz auf meiner Wellenlänge, Professor.«
    Nicole schmunzelte und warf ihrem Partner einen ironiegeladenen Blick zu. Wie sie Zamorra kannte, war das der letzte Ort, an dem er liegen wollte…
    Schließlich, nachdem sie alle die Kapelle betreten hatten, drehte sich Scheuerer zu ihnen um. »Wir befinden uns hier«, begann er und fuhr sich nervös durchs Haar, »in der Heilig-Rock-Kapelle, errichtet zu Ehren des wohl wertvollsten Schatzes dieses Hauses. Des Gewands Christi!«
    Fragend sahen sich Nicole und Zamorra an. Was sollte eine sakrale Reliquie mit ihrem Fall zu tun haben?
    »Ich habe nachgedacht«, fuhr der Deutsche fort, »und bin zu dem Schluss gekommen, dass der Speer etwas mit dem Talent des Römers zu tun haben muss, sich aufzulösen. Ich habe es selbst zwei Mal gesehen, und immer war diese Waffe… irgendwie besonders. Besser kann ich es nicht beschreiben.«
    Zamorra nickte. »Ähnliche Schlüsse haben auch wir gezogen, doch ich verstehe nicht ganz, was der Dom damit…«
    »Na, der Heilige Rock!«, fiel ihm Scheuerer ins Wort. »Im Trierer Dom wird Jesu Gewand aufbewahrt, einstmals hergebracht von der Mutter Konstantins des Großen - und mit welcher Waffe töteten die Römer den Sohn Gottes auf Golgotha?«
    »Mit einem Kreuz?«, sagte Nicole verwirrt.
    »Und einem Speer«, berichtigte Zamorra und schüttelte langsam den Kopf. »Gegen Ende der Kreuzigung, so schreibt der Evangelist Johannes, wollten sich die Römer von Jesu Tod überzeugen und stießen ihm mit einem Speer in die Seite.«
    »Ich erinnere mich«, sagte Nicole. »Blut und Wasser strömten aus der Wunde, aber… war das nicht eine Lanze? Die Heilige Lanze, angeblich heute in Wien aufbewahrt?«
    »Spear of Destiny nennt man die Waffe im englischen Sprachraum auch«, warf Scheuerer ein. »Speer des Schicksals. Und ich frage Sie: Was, wenn es sich bei dem Speer unseres unheimlichen Mörders um genau diese Waffe handelt? Was, wenn der Römer, der einst an Jesu Kreuz gestanden hat, mit seinem Speer auf einen letzten Wunsch des Gekreuzigten reagierte und ihn erlöste? Wissen Sie, ich habe mir die Worte des Geistes noch einmal durch den Kopf gehen lassen und bin zu der Ansicht gekommen…«
    »Eripe me«, sagte Zamorra knapp. »Erlöse mich.«
    »Genau.« Scheuerer nickte begeistert. »Was, wenn unser Geist einst den gekreuzigten Jesus erlöste und nun wiedergekehrt ist, um auch andere auf ähnliche Weise aus dem Leben zu ›erlösen‹?«
    Einen Augenblick lang war es still in der ansonsten menschenleeren Heilig-Rock-Kapelle. Dann brach Professor Zamorra in schallendes Gelächter aus. »Scheuerer, Scheuerer«, sagte er schließlich. »Mal ganz abgesehen davon, dass Sie sich mit dieser, sagen wir mal: Theorie zweifellos den Zorn so mancher bibelfesten Katholiken aufhalsen könnten… Halten Sie das nicht für ein wenig weit hergeholt?«
    Protestierend hob der Angesprochene die Arme. »Das

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