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0907 - Imperium der Zeit

0907 - Imperium der Zeit

Titel: 0907 - Imperium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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noch einen Großonkel erfinden müssen, weil keiner der wahllos herausgesuchten Namen, mit denen er die ältliche Dame konfrontiert hatte, in deren Verwandtschaft vertreten war -, hatte einem pickligen Kfz-Mechaniker aus Konz die Lottozahlen des kommenden Samstags ins Ohr geflüstert und einem sehr überraschten Rentner, der dem Aussehen nach noch nie weiter als bis Cochem gereist war, verkündet, dieser habe ein uneheliches Kind in Afrika.
    Jetzt mühte er sich dabei ab, einer sichtlich beeindruckten Esoterik-Jüngerin eine Nachricht ihrer unlängst bei einem Unfall verstorbenen Familie auf den klapperdürren Leib zu lügen, und Schilp wusste wieder, warum er Scheuerer so hasste: Der Mann hatte keinen Respekt.
    Alles war Show für ihn, alles war Material, das er nach Herzenslust bearbeiten und verwenden konnte. Scheuerer lebte von den persönlichen Tragödien und dem Schmerz seiner Mitmenschen, baute sich an ihm auf und inszenierte sich selbst zum Grenzgänger zwischen den Welten. Selbst der olle Löffelverbieger und Alien-Beschwörer Uri Geller, so war Schilp sicher, hatte mehr Anstand in den Knochen als Thomas Scheuerer.
    Müde schielte Schilp auf die Uhr, die an der Wand über dem Bücherregal in seinem kleinen Wohnzimmer hing. Gleich elf. »Scheuerer«, murmelte er und gähnte herzhaft, »falls du wirklich noch eine besondere Attraktion in Petto hast, musst du allmählich mal in die Puschen kommen, sonst ist deine Sendezeit um.«
    Als hätte er ihn gehört, ließ der blonde Star des OK Triers von der Eso-Tante ab und wandte sich der Kamera zu. »Und nun, meine Damen und Herren«, begann er, und Schilp beugte sich neugierig im Fernsehsessel vor, »kommen wir zum Hauptgrund, aus dem ich um diese Sondersendung gebeten habe.«
    Der Journalist lachte leise. »Na, da bin ich ja mal gespannt.«
    »Wie Sie sicherlich der Presse entnommen haben, wird Trier momentan Opfer eines ganz besonderen übersinnlichen Phänomens.« Scheuerer griff unter sich und zog die heutige Ausgabe der BILD-Zeitung hervor. Mit sorgenvollem Blick hielt er das Käseblatt in die Kamera. Schilp stöhnte frustriert auf. Nicht schon wieder diese Römernummer…
    Der Mann auf dem Bildschirm setzte einen entschlossenen Gesichtsausdruck auf. »Die Polizei, mit der ich bereits über den Fall sprechen konnte, bemüht sich redlich, unsere Stadt wieder sicher zu machen. Doch gelingt es ihr? Nein. Wie sollte es? Was könnte sie einem Geist wohl entgegensetzen?«
    Mittlerweile hatte die Kamera so weit an Scheuerer herangezoomt, dass nur noch sein Gesicht den Bildschirm ausfüllte. »Doch haben Sie keine Angst! In einer morgigen, weiteren Sondersendung, werde ich - Ihr Thomas Scheuerer; der Seher der Seher, Weissager der Weissagenden - mich dem unheimlichen Mörder stellen. Hier, vor Ihnen. Vor laufenden Kameras. Seien Sie dabei, wenn ich Trier von dieser Geißel der Vergangenheit befreie!«
    Ungläubig starrte Schilp den Monitor an. Hatte dieser Idiot etwa gerade tatsächlich versprochen… Das… das war…
    Herrlich! Genau das war es: herrlich. Schilp hatte Scheuerer immer für einen gewieften Betrüger gehalten, aber dass er auch noch so dämlich war, sich derart weit aus dem Fenster zu lehnen, war ein Gottesgeschenk. Sofort griff Schilp zum Telefonhörer und wählte die Nummer seines Radiosenders.
    »Hajo? Schilp hier, hör mal«, sagte er, als sich der Spätdienst meldete. »Was hältst du davon, wenn wir morgen eine Höreraktion machen…«
    ***
    Ein weißer, kalt wirkender Mond schien über die Dächer Triers, und Professor Zamorra stand am Fenster seines Hotelzimmers und schaute in die Nacht heraus. Er war unruhig, zu aufgewühlt um einzuschlafen, und so starrte er einfach über die leeren Straßen und dunklen Gebäude.
    »Du wartest auch, oder?«, erklang eine verschlafene Stimme in seinem Rücken. Stoff raschelte, als sich Nicole im Bett umdrehte, ein warmer weicher Körper unter den dünnen Laken.
    »Mhm«, gab Zamorra zurück, ohne den Blick von der schlafenden Stadt abzuwenden. »Bisher hat er sich nicht blicken lassen, aber… Weißt du, ich bin einfach nicht sicher, ob die Gefahr einer weiteren Attacke heute Nacht ausbleibt.«
    »Und wenn der Spuk vorbei ist?«
    »Warum sollte er das sein? Ich habe keinerlei magische Aktivität gespürt, die darauf hindeuten würde, dass unser Geist wieder dorthin verbannt wurde, wo er hergekommen ist.«
    Nicole schwieg, also setzte Zamorra nach: »Und überhaupt… An uns liegt's nicht. Ich muss ehrlich

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