091 - Die Braut des Hexenmeisters
ausgeschlossen.“
„Warum?“ wollte Jolliet wissen.
Dr. Hugo blickte Jolliet mitleidig an. „Weil auch nicht der geschickteste Arzt der Welt mit dem feinsten und raffiniertesten Instrument so sauber und restlos das Blut aus einem menschlichen Körper herauspumpen könnte, wie es hier geschehen ist.“
„Wer kann es dann gemacht haben?“ fragte Jolliet.
Der Arzt hob die Schultern und nahm seine Tasche vom Tisch. „Da bin ich überfragt, mein lieber Jolliet. Das herauszufinden ist, Gott sei Dank, Ihre Aufgabe, Jolliet. Ich empfehle mich, meine Herren!“ Der Arzt setzte seinen Hut auf und ging hinaus zu seinem Wagen.
Viktor blickte ihm kopfschüttelnd nach. „Wenn du mich fragst“, meinte er und blickte Jolliet vielsagend an. „den hat es auch ganz schön erwischt.“
Jolliet nickte nur. Er mußte an Jean Dougnac denken, der inzwischen wieder in die Präfektur geschafft worden war und dort pausenlos verhört wurde. Je weiter sich der Fall entwickelte, um so mehr war er geneigt, diesem Jean das Wort „Spinner“ abzubitten.
Ein Vampir hatte Jean Dougnac gesagt, er tippt auf einen Vampir als Täter.
Das war jetzt gar nicht mehr zum Lachen, dachte Jolliet, ganz und gar nicht mehr.
An zwei Punkten der Stadt herrschte an diesem Abend eine ungewöhnliche Betriebsamkeit.
Im Hof der Polizeipräfektur wurde eine Reihe von Einsatzwagen bereitgestellt. Ein Inspektor wies an Hand einer Stadtkarte jeden Streifenführer einzeln ein. In einem Kastenwagen wurden Scheinwerfer, Kabelrollen, Fackeln und einige Sprengsätze eingeladen. Dazu Schaufeln, Spitzhacken, Zeltplanen und Maschinenpistolen mit scharfer Munition.
In den Büros der Mordkommission brannten alle Lichter. Haussuchungsbefehle wurden ausgestellt und unterschrieben sowie einige Haftbefehle.
Jolliet steckte die Dokumente ein und ging in den Seitenflügel, wo die Zellen für Untersuchungsgefangene lagen, die auf ihr Verhör warteten.
Er sperrte Jeans Zelle auf, der apathisch auf seiner Pritsche hockte und mit leerem Blick vor sich hin starrte.
„Soll ich Ihnen etwas zu essen bringen lassen?“ fragte Jolliet.
Jean schüttelte stumm den Kopf.
„Sie sollten aber doch lieber etwas essen. Sie werden noch gebraucht.“
„Wozu?“ meinte Jean müde.
„Nun, erstens als Zeuge, zweitens als Beistand und Stütze Ihrer kleinen Manon Regnard.“
„Die will mich nicht mehr sehen.“
„Das wollen wir erst mal abwarten“, meinte Jolliet vorsichtig. „Fühlen Sie sich stark genug, Ihrer ehemaligen Verlobten gegenüberzutreten?“
Jean hob den Kopf. Ein Hoffnungsschimmer tauchte in seinen dunklen Augen auf. „Mit Handschellen?“ fragte er bitter und hob die Arme.
„Nicht mit Handschellen, wenn Sie mir versprechen, keine Dummheiten zu machen.“
„Das verspreche ich Ihnen“, sagte Jean leise. Er blickte den Inspektor lange an. „Sie glauben mir also?“
„Ich neige dazu, Ihnen inzwischen mehr zu glauben als noch vor vier Stunden“, erwiderte Jolliet und bot Jean eine Zigarette an.
„Immerhin etwas“, erwiderte Jean und ließ sich Feuer geben. „Ich bitte Sie nur um eines: Nehmen Sie Rücksicht auf Manon. Sie weiß ganz bestimmt nicht, was sie tut.“
„Der Schriftsachverständige meint das auch“, entgegnete Jolliet. „Er hat den Abschiedsbrief mit früheren Briefen verglichen, die Manon an Sie geschrieben hat, und stellte eine erhebliche Bewußtseinstrübung fest.“
„Drogen?“ fragte Jean.
„Keine Ahnung.“
„Ich weiß zwar nicht, was Sie jetzt vorhaben, Inspektor“, sagte Jean nach einer kleinen Pause. „Aber ich merke, daß es hier zugeht wie in einem Bienenstock. Ich möchte eine Bitte an Sie richten, die Sie mir hoffentlich nicht abschlagen werden, auch wenn sie Ihnen verrückt vorkommt.“
Der Inspektor seufzte. „Wir haben heute unseren verrückten Tag. Da überrascht mich in dieser Hinsicht gar nichts mehr.“
„Ich habe lange über alles nachgedacht, was diese arme Yvette mir heute nacht erzählt hat. Sie hat jetzt für mich bewiesen, daß man alles todernst nehmen muß, was sie in ihren letzten Stunden gesagt hat. Möglich, daß sie selbst die Komplizin eines Verbrechers gewesen ist.“
„Rechtsphilosophie überlassen Sie bitte mir, junger Mann“, meinte Jolliet. „Und für Sentimentalitäten haben wir jetzt auch keine Zeit. Also, was wollen Sie von mir?“
„Ich habe zu Hause in meiner Tischschublade eine alte 08-Pistole. Im Griff steckt ein Magazin mit acht Schuß. Bitte, lassen Sie diese
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