091 - Ein Geist kehrt zurück
getan.
Pater Severin war nicht mehr zu sehen. Er befand sich im grell lodernden Kern des Feuers, zu dem wir einfach Vertrauen haben mußten. Würde es den Körper, der von einer starken Gorgonenkraft attackiert worden war, läutern?
Die Spannung wurde langsam unerträglich. Wir hörten nur das Knistern des Feuers, das Pater Severin nun doch zu verschlingen schien, und das Murmeln des Werwolfjägers.
Sonst herrschte absolute Stille.
Pater Laurentius hielt diesen nervlichen Streß am wenigsten aus. Er warf mir einen unsicheren, fragenden Blick zu. Ich schüttelte den Kopf, wollte nicht sprechen, um Pasquanells Konzentration nicht zu stören.
Laurentius ballte die Hände zu Fäusten. Weiß schimmerten die Knöchel durch die Haut.
Aber nichts passierte.
Unsere Geduld wurde auf eine sehr harte Probe gestellt. Mr. Silver wurde damit noch am leichtesten fertig, aber für Pater Laurentius, und allmählich auch für mich, wurde das Warten zur reinsten Folter.
Plötzlich vernahmen wir ein aggressives Zischen. Hatte die verderbende Kraft des Bösen es ausgestoßen und sich damit zum erstenmal bemerkbar gemacht?
Konnte sie sich in Pater Severins Körper nicht mehr halten? War sie gezwungen, auszufahren, von Pater Severin abzulassen?
Würde sie auf Terence Pasquanell übergehen?
Plötzlich überschlugen sich die Ereignisse. Etwas schnellte vom Lattenrost hoch. Es glich einer brennenden Schlange, die so dick wie ein Mensch war. Sie schien auf Pater Severins Körper zu hocken und zornig wie eine gereizte Kobra hin und her zu pendeln.
Sie zischte wieder, und bei genauerem Hinsehen erkannte ich zwei glühende Augen und ein aufgerissenes Maul mit zwei langen, gefährlichen Zähnen.
Das mußte die Gorgonenkraft sein!
Pater Laurentius griff nach seinem Kruzifix. Ich hinderte ihn nicht daran, aber wenn er sich auf die Schlange gestürzt hätte, hätte ich ihn augenblicklich zurückgerissen.
Überdeutlich war noch die Erinnerung in mir: Wir hatten gegen diese schlangenhäuptigen Ungeheuer kämpfen müssen, deren Anblick versteinerte.
Auch Pater Severin hatte einer Gorgone in die todbringenden Augen gesehen, aber ihr Blick hatte den Gottesmann nicht zu Stein verwandeln können. Dennoch hatte die Gorgonenkraft gereicht, dem Priester den Verstand zu rauben.
Und nun war diese ungeheure Kraft zum erstenmal gezwungen, von Pater Severin abzulassen. Dieser Zwang ging von Terence Pasquanell aus, deshalb richtete sich der Zorn der Flammenschlange auch in erster Linie gegen ihn. Ihr Maul spie Feuer.
Eine lange Lohe schoß dem Werwolfjäger entgegen, doch Pasquanell rührte sich nicht von der Stelle. Er vertraute der schützenden Kraft des Symbolrings, in dem er stand.
Die Feuerlohe vermochte ihm auch tatsächlich nichts anzuhaben. Sie stieß gegen ein unsichtbares Hindernis, fegte auseinander und verpuffte wirkungslos.
Daraufhin griff die Schlange selbst an, und sie ließ sich von der bannenden Wirkung des Kreises nicht abhalten. Mit unvorstellbarer Kraft durchbrach das brennende Ungeheuer die unsichtbare Barriere.
Sie prallte gegen Pasquanell, schlang sich um seinen Körper und drückte zu. Die Feuerschlange drohte dem Werwolfjäger die Knochen zu brechen.
Aber damit begnügte sie sich nicht.
Sie biß auch zu!
Mein Herz blieb stehen, als ich sah, wie die Zähne aus gehärtetem Feuer den Hals des Werwolfjägers verletzten. Terence Pasquanell stöhnte auf.
Ich sah Blut!
Pasquanells Schlagader war verletzt!
Mr. Silver handelte. Seine Hände erstarrten zu Silber, wurden zu scharfen Beilen, und damit schlug er zu.
Mit einem einzigen wilden Hieb schlug der Ex-Dämon der Feuerschlange den Kopf ab. Ihr Körper löste sich augenblicklich von Pasquanell und erlosch. Sie war verschwunden, als hätte es sie nie gegeben.
Mir fiel ein Stein vom Herzen. Dieser Kampf war zu Ende, aber meine Kopfhaut spannte sich gleich wieder, als ich Pasquanell sah. Er schwankte, das Gesicht schmerzverzerrt, und aus seiner verletzten Halsschlagader pulste unaufhörlich Blut.
Wir eilten zu ihm. Pater Severin war für diese Augenblicke vergessen. Wir wollten dem Werwolfjäger helfen. Er sank Mr. Silver in die Arme.
»Ich hab's getan«, stöhnte er. »Es ist vollbracht. Ich habe die Gorgonenkraft gebrochen.«
Aber wie hoch war der Preis, den er dafür zahlen mußte?
Mr. Silver versuchte ihm mit seiner Heilmagie zu helfen, aber er brachte nicht einmal die Blutung ganz zum Stillstand. Die verletzte Ader mußte genäht werden.
»Er muß ins
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