091 - Ein Geist kehrt zurück
Campas läßt Sie nicht los, wie?«
»Stimmt.«
»Ich kann verstehen, daß Ihnen die Sache an die Nieren geht. In der Nacht davor starb Vandell… Auch in diesem Zimmer.«
»Halten Sie bloß den Mund, sonst verlange ich, daß man mich in einen anderen Raum umquartiert.«
»Liegt mir fern, Sie zu beunruhigen.«
»Schon geschehen«, brummte Ken Anderson.
»Dann werde ich mal sehen, was ich an Lesestoff für Sie auftreiben kann. Bis später. Da Sie keinen speziellen Wunsch haben, wird es relativ leicht sein, etwas für Sie zu finden.«
»Ich bin nicht wählerisch. Ich lese alles. Nur Gruselromane könnte ich jetzt nicht gerade vertragen.«
Der Krankenpfleger verließ das Zimmer, und Anderson stieß lautstark die Luft aus. Er legte sich zurück und blickte zur Decke. Eine Nacht wollte er noch hierbleiben, aber dann würde er auf eine Entscheidung drängen.
Entweder operierten sie ihn, oder sie schickten ihn nach Hause. Er rechnete mit letzterem, denn seit er im Krankenhaus war, hatte er keine Beschwerden mehr.
Er dachte an Campas und an all das verrückte Zeug, das ihm sein Bettnachbar erzählt hatte. Ein Mann, aus der Blüte des Lebens gerissen.
Seltsamerweise befürchtete Anderson, ihn könnte in dieser Klinik das gleiche Schicksal ereilen. Auch bei Stan Vandell hatte niemand damit gerechnet, daß er sterben würde.
Da war auf einmal ein leises Schleifen und Huschen. Anderson erschrak. Seine Nerven waren auch schon mal besser gewesen. Er kniff mißtrauisch die Augen zusammen und lauschte.
Befand sich jemand im Zimmer?
Anderson setzte sich auf. Der Raum war leer. Dennoch wurde Ken Anderson den Verdacht nicht los, daß sich hier jemand eingeschlichen hatte.
Sollte er die Schwester rufen und ihr von seiner Wahrnehmung erzählen? Sie würde ihm wahrscheinlich nicht glauben.
Doch dieses lästige Gefühl ließ ihm weiterhin keine Ruhe.
Lag jemand unter dem Bett?
Als Kind hatte er sich das manchmal eingebildet, und er hatte Höllenängste ausgestanden. Daß er mit 28 Jahren wieder an so etwas dachte, fand er geradezu lächerlich.
Aber dieses unangenehme Gefühl zwang ihn, nachzusehen, ob wirklich niemand unter seinem oder irgendeinem anderen Bett lag. Er war froh, daß ihm dabei keiner zusah. Er wollte schließlich nicht, daß man an seinem Verstand zweifelte.
Aber unter seinem Bett lag niemand, unter den anderen Betten auch nicht. Hast du ein anderes Ergebnis erwartet? fragte er sich. Bist du nun beruhigt?
Er wollte sich wieder aufrichten, da bildete er sich ein, etwas aus einer düsteren Ecke huschen zu sehen. Es war aber gleich wieder weg, und so tat er es mit einem Achselzucken ab.
Ist ja kein Wunder, wenn man in diesem Krankenhaus verrückt wird, dachte Anderson.
Da fiel plötzlich etwas auf seine Füße, die sich unter der Decke befanden.
Anderson zuckte wie unter einem heißen Stromstoß heftig zusammen. Und im gleichen Augenblick traf ihn vor Schreck beinahe der Schlag.
Auf seinen Füßen hockten zwei große, kräftige Ratten!
***
Ratten mit Menschenaugen!
Unmöglich! sagte sich Ken Anderson. Und noch viel unmöglicher erschien es ihm, daß die eine Ratte Lane Campas' Augen hatte. Du tickst ja wirklich nicht mehr richtig, dachte der junge Kriminalbeamte.
Vielleicht bildete er sich das alles nur ein.
Aber er spürte den Druck ihrer Körper, spürte, wenn sie sich bewegten. Das konnte keine Halluzination sein.
Wie sollte er sich verhalten? Ruhig liegenbleiben? Sich nicht rühren, bis sie von selbst sein Bett verließen.
Sollte er mit beiden Füßen gleichzeitig ausschlagen, damit die widerlichen Biester Reißaus nahmen? Würden sich diese Tiere überhaupt verscheuchen lassen?
Was passierte, wenn er nichts unternahm? Würden die Biester dann über ihn herfallen? Waren sie aggressiv? Dutzende von Fragen wirbelten durch Ken Andersons Kopf, während er die Tiere nicht aus den Augen ließ.
Sie krochen näher.
Anderson brach der kalte Schweiß aus allen Poren. Sie sahen ihn mit diesen merkwürdigen Augen an, und er glaubte in ihrem Blick unverhohlene Mordlust zu entdecken.
Das sind Killer! schrie es in ihm. Und du bist ihnen ausgeliefert!
Die Tiere duckten sich. Anderson rechnete mit einem Angriff, und er irrte sich nicht, denn schon in der nächsten Sekunde stießen sich die Nager ab.
Sie katapultierten sich ihm entgegen.
Anderson riß die Arme abwehrend hoch, und als sich die gelben Zähne in sein Fleisch bohrten, brüllte er auf. Er schlug mit den Fäusten auf die Tiere ein und
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