0910 - Blutliebe
nicht retten können. Verflucht noch mal, Sie sind es nicht wert, daß sie leben!«
Er schrie weitere Flüche, und Jane versuchte ihn zu verstehen. Sir Walter Kendrake war ein Mann, der es nicht gelernt hatte, zu verlieren. Wahrscheinlich hatte er an diesem Tag seine erste größere Niederlage erlitten, und das brachte ihn beinahe um den Verstand. Zumindest war er nicht mehr in der Lage, eine normale Reaktion zu zeigen.
Das Schreien verstummte. Dafür hörte Jane die Laute eines schluchzenden Mannes.
Kendrake zog sich zurück. Jane saß noch immer am Boden. Sie vernahm ihr eigenes Keuchen und tastete den verletzten Fuß ab. Der Knöchel war geschwollen, und er war regelrecht warm geworden.
Eine Entzündung bahnte sich an.
Sie hörte Schrittgeräusche, drehte den Kopf und sah die schattenhafte Gestalt heranhuschen. Es war nicht der Vampir, sondern Raki, der Leibwächter, der seine Maschinenpistole in der Hand hielt, plötzlich stehenblieb, als er Jane sah und auf sie niederschaute.
»Was ist passiert?«
»Es ist schiefgegangen!« keuchte Jane. »Ich trage einen Großteil der Schuld. Ich habe es nicht geschafft, die Entführung zu verhindern. Tut mir leid.«
Raki verzog die Mundwinkel und leckte über seine Lippen. »So eine Scheiße! Sir Walter wird es gar nicht gefallen, wenn er verliert. Was ist mit Romana?«
»Ich sagte doch schon, daß sie ent…«
»Weiß ich. Aber lebt sie noch?«
»Ha!« Jane hob die Schultern und schüttelte den Kopf. »Leben?« sinnierte sie. »Ich weiß nicht, was mit ihr ist, ob man sie noch als lebend bezeichnen kann. Mögen Sie Romana?«
»Und ob.«
»Schön. Haben Sie schon mal gebetet, Raki?«
»Ich kann mich nicht mehr erinnern. Zumindest nicht zu Ihrem Gott.«
»Spielt auch keine Rolle, Mister. Versuchen Sie es. Zu welchem Gott auch immer, versuchen Sie einfach zu beten. Es ist vorerst das einzige, was wir tun können…«
***
Der Blutsauger hatte den Sprung zwar richtig angesetzt, aber ihn nicht genau berechnet. Das Gebüsch bestand aus zahlreichen Armen, die ihm dornig entgegenpeitschten und ihm die Frau aus seinem sicheren Griff rissen.
Mit ihr zusammen rollte er zu Boden. Sie wurde ihm aus den Armen gerissen, rollte über den feuchten Untergrund, und stieß mit dem Kopf gegen einen Baumstumpf. Die Stirnwunde war ihr ziemlich egal, denn zunächst einmal war es wichtig, daß er sie in Sicherheit brachte.
Weit hinter sich hörte er das Schreien des verzweifelten Vaters. Da befand er sich bereits auf dem Weg zum Gartenhaus, das er unangefochten erreichte.
Er legte Romana auf den feuchten Boden und lief wieder zurück. Der Mann, sein erstes Opfer, lag noch immer an derselben Stelle. Niemand hatte ihn entdeckt, und er war zudem noch nicht aus seinem ersten »Schlaf« erwacht.
Es würde auch dauern. Den nächsten Tag über würde er in diesem bodenlosen Schlaf liegen, um sich dann auf die Suche nach dem Saft der Menschen zu machen, ebenso wie die Frau.
Beide brachte der Vampir in seiner Fluchtburg unter, wo er sie zunächst nebeneinander liegenließ.
Er brauchte kein Licht, seine Augen waren gut genug.
Einmal drehte er seine Runde, blieb am Eingang stehen, schaute hinaus in den Park und war zufrieden, daß er dort nichts sah. Keine Verfolger, die ihm auf den Fersen waren.
Er war zufrieden.
Der Schmutz des Bodens kam ihm und dem Versteck zugute, so war die hölzerne Einstiegsklappe auf den ersten Blick nicht zu sehen. Der Wiedergänger hatte sich gebückt und einen vorn abgeflachten Meißel in die rechte Hand genommen. Ihn setzte er an einen der seitlichen Spalte an, drückte ihn tiefer, um die Luke aufzuhebeln. Knirschend bewegte sich der Deckel in die Höhe. Er faßte zu und stellte ihn senkrecht. Durch eine innen angebrachte Gelenkstange wurde er in dieser Lage gehalten.
Über eine alte Leiter kletterte er zweimal in die Tiefe. Erst dann war er zufrieden, denn seine beiden Opfer lagen nebeneinander auf dem feuchten Lehmboden.
Dieses Versteck war ideal. Noch hatte es niemand entdeckt.
Es standen keine Särge oder Kisten bereit, der schmutzige Lehmboden diente als Liegestatt. Nicht nur für seine Artgenossen, auch für ihn.
In der Grube richtete er sich auf, umfaßte den Griff und zog den Deckel zu. In seinem Versteck wurde es finster wie in einem Grab.
Genau das hatte er gewollt, und nur dort fühlte sich der Blutsauger wohl.
Er hatte Zeit, viel Zeit. Den Rest der Nacht und den nachfolgenden Tag. Dann aber…
Er lachte, als er daran
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