0910 - Blutliebe
zuvor gehört, aber sie hatte sich auch nicht um seine Geschäfte gekümmert. Für sie stand fest, daß es eine geschäftliche Beziehung zwischen den beiden gegeben hatte.
Mit unsicheren Schritten bewegte sich Krishan vor. Er sah ebenso verdreckt und verschmutzt aus wie Romana. In seinem blonden Haar klebte Lehm. Die Augen standen weit offen und wirkten verdreht. Auch der Mund war nicht geschlossen. Seine Winkel wirkten wie zum Zerreißen gespannt, und durch den offenen Mund hatte das Gesicht des Untoten einen dümmlichen Ausdruck bekommen.
Nurescu hielt ihn an der Schulter fest, als er auf die Tür zugehen wollte. »Nicht so eilig, wir werden alles genau überlegen müssen. Ich bin es, der die Befehle gibt.«
Krishan nickte nur.
Nurescu schob sich zwischen Krishan und Romana hindurch, um auf die Tür zuzugehen. Sie war noch geschlossen, aber durch einen offenen Spalt sickerte graues Dämmerlicht.
Draußen war es dunkler geworden. Hinzu kamen die Bäume, die zusätzliche Schatten warfen, die sich mit den dünnen Dunstschwaden vermischten. Sie krochen lautlos über den Grasboden, hatten sich an manchen Stellen zu Spiralen und an anderen wieder zu kleinen Wolken zusammengedreht.
Nurescu zerrte die Tür auf und ließ auch die feucht gewordene Luft in das Gartenhaus strömen.
Er machte den Anfang, als er über die Schwelle trat. Vom Tageslicht war noch einiges zu sehen, allerdings hoch am Himmel, wo sich ein breiter, blasser, grauer Streifen abzeichnete, der in den nächsten Minuten immer schmaler werden würde, um dann völlig zu verschwinden.
Der Vampir witterte wie ein Raubtier. Erst als er sicher war, daß sie niemand beobachtete, gab er den beiden anderen das Zeichen, ihm zu folgen.
Willig gingen sie hinter ihm her. Auf dem feuchten Boden wirkten ihre Tritte noch unsicher, das aber würde vergehen, wenn die Nacht kam.
Ein Ziel sahen sie ebenfalls.
In den Lücken zwischen den Bäumen und dort, wo sich das Haus mit den Opfern befand, schimmerten die gelblichen Lichtflecken. Sie standen in der Dunkelheit wie viereckige, an Bändern hängenden Laternen.
Genau dort befand sich das Haus, und dort lebten auch die Menschen!
***
Es war eine lange, intensive und auch sehr informative Unterhaltung gewesen. Endlich wußten Suko und ich Bescheid. Wir waren über alle Vorgänge informiert worden, und im Nachhinein mußte ich sagen, daß sich Jane Collins trotz allem tapfer geschlagen und auch noch Glück gehabt hatte. Es hätte für sie durchaus anders kommen können, wenn sich der Vampir zum Beispiel mit ihr beschäftigt hätte.
Wir saßen hier und mußten uns auf die Nacht vorbereiten. Auch Greta hatte sich zu uns gesellt. Eine stille Frau, die bereits die zweite Kanne Kaffee brachte, denn den hatten wir nötig.
Inzwischen war das Arbeitszimmer auch erhellt. Greta hatte die Stores vorgezogen. Drei Lampen tauchten den Raum in einen warmen Schein.
Ein Außenstehender hätte uns für eine gemütliche Runde in einem englischen Landhaus halten können. Eine Runde waren wir, gemütlich ging es nicht zu, denn zwischen uns stand die Spannung.
Obwohl Suko und ich nicht gerade begeistert gewesen waren, hatte es sich Sir Walter Kendrake nicht nehmen lassen und Raki nach draußen geschickt, um dort Wache zu halten. Er sollte sich nahe der Tür aufhalten, um uns bei Gefahr sofort zu warnen. Bisher hatte es jedoch keine Zwischenfälle gegeben.
»Ihr Fazit, Mr. Sinclair?« fragte mich der Hausherr.
Ich setzte die Tasse ab, die ich in der Hand gehalten hatte. »Es ist ganz einfach. Wenn wir davon ausgehen, daß wir es mit drei Blutsaugern zu tun haben, und das müssen wir, dann werden wir damit rechnen müssen, daß sie auch herkommen.«
»Die wollen Blut?«
»Ja, Mr. Kendrake, das haben Vampire so an sich.«
Er war noch nicht ganz zufrieden. »Sie beziehen damit auch meine Tochter mit ein?«
»So ist es.«
Kendrake senkte den Kopf. Er atmete schwer. Ich konnte mir vorstellen, was sich in seinem Kopf abspielte. Er war der Vater, der nicht nur eine Tochter verloren hatte, sondern noch damit rechnen mußte, daß eben diese Tochter zurückkehren würde, um sein Blut zu trinken. Diesen Gedanken konnte selbst Kendrake nicht verkraften, der wirklich mit allen Wassern gewaschen war.
»Sie müssen sich damit abfinden, Sir«, sagte auch Jane Collins. »Es ist leider so.«
»Ich weiß es ja!« stöhnte er. Dann hob er den Kopf. »Aber ich habe noch immer Hoffnung. Können Sie das verstehen?«
Wir stimmten zu.
Kendrake stand
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