0910 - Der Totflüsterer
Ausland reise und deshalb das Haus sofort sehen wollte. Wie es aussieht, hatte er aber mehr Interesse an Luynes selbst als an dessen Anwesen. Eine Nachbarin hat die Leiche gefunden, weil ihr Hund auf das Grundstück gelaufen ist.«
»Oh, mein Gott! Aber wie hätten wir davon wissen sollen?«, fragte Nicole.
»Weil Luynes genauso aussieht wie die Leichen in den Kokons. Und wie im Haus Pereires haben wir in der Nähe eine trockene Hauthülle entdeckt.«
Zamorra ballte die Hand zur Faust und schlug gegen die Wand. »Wir haben Pereires Frau auf Kosten eines anderen Menschenleben gerettet! Agamar hat seinen Hunger trotzdem stillen können.«
»Du weißt, was das heißt?«, flüsterte Nicole.
»Ja! Dass er jetzt hinter der siebten Seele her ist.«
In diesem Augenblick sah Zamorra, wie Nicole die Augen aufriss.
Da hörte er hinter sich auch schon die keifende Stimme Sandrus. »Ihr werdet mich niemals kriegen!«
Der Meister des Übersinnlichen zirkelte herum, machte sich bereit, den wütenden Angriff des Wahnsinnigen abzuwehren - und war überrascht, dass der ausblieb!
Aber der Angriff wäre ihm lieber gewesen als das, was er stattdessen sah.
» Merde! «
Cedric Sandru war entweder nicht annähernd so bewusstlos gewesen, wie Zamorra vermutet hatte. Vielleicht hatte er die Ohnmacht auch komplett vorgetäuscht. Und nun rannte er auf das große Wohnzimmerfenster zu. Wegen der auf den Rücken gefesselten Arme wirkten seine Schritte unbeholfen, aber Zamorra sah sofort, dass er ihn nicht mehr erreichen konnte. Sandru war gerade dabei, Agamar die letzte Seele für die Neuwerdung zu spenden!
Zamorra hörte das Splittern der zerberstenden Fensterscheibe, dann verschwand Sandru aus seinem Blickfeld und stürzte ohne einen Schrei zwei Stockwerke in die Tiefe.
» Merde! «, fluchte er noch einmal. Mit einer Kopfbewegung deutete er auf den Vertreter. »Bleib du bei ihm!«
Dann ließ er Nicole stehen und hetzte den Gang entlang zum Treppenhaus.
***
79 v. Chr. - Rhetts Erinnerung
»Ich grüße dich! Die Zeit ist reif für einen weiteren Besuch. Und dafür, deine Wut zu nähren!«
Logan schüttelte seine Verblüffung ab. Er handelte!
Er schleuderte seinen Bogen und den Pfeilköcher zur Seite, riss sein langes Jagdmesser aus der Scheide und sprang dem Gegner mit einem lauten Schrei auf den Lippen entgegen.
Noch bevor er wusste, was geschah, lag er plötzlich neben der Tür auf dem Boden. Er schmeckte Blut und entsetzliche Schmerzen marterten seinen Leib, als habe ihn ein Dutzend schwerer Stockhiebe niedergestreckt.
Der Unheimliche stand jetzt direkt neben dem Stuhl seiner Mutter und schüttelte fast bedauernd, wie es schien, den Kopf.
»So nicht, Erbfolger . Du wirst dir etwas anderes einfallen lassen müssen. Und damit du dich mehr anstrengst…« Er trat nach dem Stuhl, auf dem Logans Mutter stand, und das Möbel krachte gegen die steinerne Umrandung der Feuerstelle, an der er zerbarst.
»NEEEIIINNN!«
Logans Brüllen ließ das Innere des Hauses förmlich erzittern und übertönte das hässliche Knacken des brechenden Genicks.
Der junge Mann sprang auf die Beine, obwohl jeder Zoll seines Leibes in Flammen zu stehen schien, und hechtete dem Gegner entgegen.
Er wollte ihn packen, würgen, schlagen oder ihm schlicht den Hals umdrehen, doch wiederum schien es einen Augenblick zu geben, der aus dem Ablauf der Zeit herausgelöst wurde, denn er fand sich erneut auf dem Boden wieder.
Dieses Mal am anderen Ende des Raumes.
Logan keuchte und spie weiteres Blut aus. Nur langsam und unter größten Mühen konnte er sich herumwälzen. Gewaltigen Gewitterwolken gleich wallte Schwärze vor seinen Augen empor und verschleierte die Umgebung.
Er hörte einen neuerlichen Schlag und das Poltern eines Stuhls.
Die Schwärze vor Logans Augen zerstob und gab die Sicht auf den Schrecken frei.
Haskell, sein Stiefvater, der Mann, den er in den letzten Jahren schätzen gelernt hatte, hing direkt neben seinem Weib in der todbringenden Schlinge. Sein Genick war nicht gebrochen und so drückte das Seil ihm den Hals zusammen und das Leben aus ihm heraus. Haskells Beine traten in alle Richtungen, die Hände fuhren zur Schlinge, versuchten sie zu lösen, gruben sich ins Fleisch, zerkratzten die Haut. Vergeblich. Irgendwann hing auch er still.
Schwerfällig stemmte Logan sich auf alle viere. Er wusste nicht, was er tun sollte!
Zwar beherrschte er die Llewellyn-Magie, aber die befähigte ihn nur dazu, das Wetter zu lenken. Sehr nützlich für
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