0912 - Das Weltennetz
doch sie lächelte. Der Kasten lag exakt vor ihr auf dem Boden und in ihm war die Wurzel, die sich nun zwar noch bewegen konnte, die aber dennoch hier fixiert blieb. Zamorra nickte anerkennend. Das würde nicht ewig halten, doch für den Augenblick war der Angriff aus Armakath gestoppt… auf Dhyarra-Eis gelegt, wenn man es denn so ausdrücken wollte.
Zamorra klopfte auf den blauen Kasten, der für einen Aufschub sorgte. Mehr war es jedoch nicht. Der Parapsychologe richtete sich auf und straffte die Schultern.
»Und nun, Vinca von Parom, bring mich zurück zu Maiisaro. Sie muss uns begleiten, denn ich hätte da etwas mit den Herrschern zu besprechen. Und zwar dringend.«
Vinca nickte nur. Er ahnte was Zamorra vor hatte. Er bewunderte den Professor für seinen Mut, auch wenn er sicher war, dass selbst Zamorra erfolglos bleiben würde.
Die Herrscher ließen nicht mit sich reden…
***
Schaina hatte nicht bemerkt, dass sie bei ihrer kopflosen Flucht bis an die Hülle des Kokons geraten war. Dieses Gebilde machte ihr Angst, beinahe noch mehr als die monströse Kreatur, die sie verfolgte.
Nun musste sie wohl oder übel die Richtung wechseln, denn so nahe am Kokon konnte sie ihren Jäger schlecht auf Distanz halten. Sie brauchte die Enge der Gassen und Straßen, wenn sie überhaupt eine Chance haben wollte. Die Frage war nur, wohin sie überhaupt flüchten wollte? Was sollte ihr Ziel sein? Die nackte Kreatur, aus deren Maul weißes Feuer schießen konnte, würde ihr an Kondition sicher weit überlegen sein.
Sie würde ganz sicher nicht aufgeben, bis sie Schaina fangen und töten konnte.
Was also konnte die Wandlerin tun? War es nicht einen Versuch wert… wenn es auch noch so verrückt erschien? Schaina dachte an die vielen Male, die sie schon an einen ernsthaften Versuch gedacht hatte. Vielleicht war das überhaupt ihre einzige Chance.
Sie musste über ihre Grenzen hinaus gehen. Sie musste es wagen. Schaina blieb vor der Wandung stehen, die leicht in sich zu vibrieren schien. Sie konzentrierte sich auf ihre Wandlerfähigkeit, wie sie es nie zuvor getan hatte. Wenn es nicht nur ein Märchen gewesen war, was ihr eine kluge Frau einst berichtet hatte, dann konnten besonders begabte Wandler in den alten Zeiten nicht nur mit ihrem Hintergrund verschmelzen, sondern ihn unter Umständen sogar durchdringen.
Schaina hätte diesen Versuch nie gewagt, doch hier ging es um das nackte Überleben.
Bange Sekunden lang geschah absolut nichts und sie wollte bereits aufgeben. Dann jedoch spürte sie deutlich, wie ihre Fingerkuppen wenige Millimeter in die Wandung eindrangen. Ihr Herz machte einen großen Sprung. Vielleicht würde sie das hier ja doch überleben.
Sie erhöhte ihre Konzentration noch einmal. Es musste jetzt gelingen - jetzt oder nie mehr.
Eine brutale Hand griff in ihr Genick und zerrte die junge Frau von der Wandung fort. Sie fühlte den Schmerz, als ihre Finger praktisch aus dem Material gerissen wurden.
Das riesige Wesen war schneller gewesen…
Schaina erwartete den Tod, doch der kam nicht. Schweigend schleppte die Kreatur die Wandlerin durch die kahlen Straßen der Stadt. Direkt vor dem Haus über dem Wurzelschacht ließ er sie fallen, als wäre sie ein Stück Holz. Schaina spürte die Schmerzen überall dort, wo seine eisenharte Hand sie angefasst hatte.
Warum lebte sie noch? Es dauerte eine Weile, bis sie sich wieder so gefangen hatte, dass sie überhaupt wieder ein Wort über die Lippen brachte. Zu verlieren hatte sie nichts mehr, also sprach sie das Wesen an.
»Niemand kann mich sehen, wenn ich es nicht will!«, meinte sie atemlos. »Warum kannst du es - du hast ja nicht einmal Augen.« Schaina erwartete nun eine brutale Reaktion, weil sie es gewagt hatte die Kreatur anzusprechen. Doch der Riese wandte seinen Kopf zu ihr hin.
»Ich bin ein Ductor. Ich brauche keine Augen um zu sehen, doch das kannst du nicht verstehen. Die Herrscher haben uns so gemacht, damit wir noch stärker und mächtiger werden. Augen sind nur Schwachpunkte, die man angreifen kann. Ich sehe dich - das genügt.«
Ductor? Herrscher? Schaina verstand keines dieser Worte. Sie erwartete keine Erklärung, mit der sie in ihrer Situation auch nichts hätte anfangen können. Es war eine andere, eine für sie entscheidende Frage, die sie nun stellen wollte. Vielleicht die letzte Frage in ihrem Leben, so glaubte sie.
»Warum lebe ich noch? Du hättest mich doch längst töten können.«
Der Ductor wandte sich um. »Folge
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