0912 - Der Hypno-Hund
Helen hatte mich schon fast erreicht.
Ich kannte sie nur flüchtig, aber ich hatte sie noch nie so glücklich erlebt wie in diesem Augenblick, sie strahlte mich an wie frisch verliebt.
Helen tänzelte leicht vor mir. »Kommst du, John?« Sie winkte. »Kommst du bitte zu mir?«
»Aber gern.« Auch ich lächelte sie an, schielte aber, während ich mich erhob, hinüber zur Bühne, wo Shamrock lauernd stand und haargenau beobachtete, was sich zwischen Helen und mir abspielte.
Helen konnte es einfach nicht erwarten. Sie tat so, als würden wir uns schon wochenlang kennen, und sie warf sich in meine Arme, was mir nicht unangenehm war.
Helens Hände rieben über meinen Rücken. Dabei flüsterte sie mir Worte ins Ohr, die schon jugendgefährdend waren, und sie zerrte mich vor, während sie langsam zurückging.
Unser Ziel war die Bühne und dieses angebliche romantische Lokal, in das sie mich führen wollte. Sie hielt mich an der rechten Hand fest, lächelte zur Bühne hoch, wo sich Shamrock verbeugte, sehr spöttisch, wie es mir erschien.
Wir stiegen die kleine Treppe hoch. »Es wird so wunderbar werden«, erklärte Helen flüsternd. »Ich freue mich darauf. Ich bin froh, dich gefunden zu haben.«
»Kennst du mich denn noch?«
»Ja.«
»Woher?«
»Aus dem Biergarten.«
»Stimmt. Weißt du auch, wie du heißt?«
»Helen.«
»Und weiter?«
»Einfach Helen.«
»Gut, ich bin John.«
»Klar, ich kenne dich doch.«
Wir hatten geflüstert und die Treppe hinter uns gelassen. Kaum hatte ich einen Fuß auf den Bühnenboden gesetzt, da schwang mir das Knurren entgegen, denn dem Hypno-Hund schien es nicht zu passen, was Helen mit mir trieb.
Bisher hatte er auf seinem Platz gelegen, aber sein Fell sträubte sich bereits. Sein Knurren blieb, die Augen sahen aus wie kalte Monde. Er hatte das Maul weit geöffnet und präsentierte mir die blinkenden Zähne, als wollten sie mich im nächsten Augenblick in Stücke reißen.
Das ließ er bleiben. Statt dessen machte er den Eindruck, als wollte er sich von seinem Platz zurückziehen, und der Meister mußte schon eingreifen, um ihn zu beruhigen.
Er bückte sich zu ihm hinunter und streichelte sein dunkles Fell.
Der Hund wollte sich nicht beruhigen, was den Mann ärgerte. In seiner gebückten Haltung blieb er stehen und hob den Kopf an. Das schattige Licht senkte sich auf sein Gesicht, und er zischte mir zu. »Daran trägst du die Schuld. Du hast ihn durcheinandergebracht.«
»Ach ja!«
»Laß uns gehen, John!« bettelte Helen und wollte mich wegzerren.
»Gleich.« Ich wollte noch nicht, denn ich dachte an den Zeitgewinn und auch an Indra Shamrock, in dessen Augen ein eisiger Schauer lag.
»Was hast du mit Moonbird getan?« flüsterte er. Seine Stimme klang heiser. Wegen seiner Wut hatte er große Mühe, die Worte zu formulieren.
»Ich?« Eine unschuldige Frage, die ich mit einem Lächeln auf den Lippen begleitete. »Entschuldigung, aber ich habe nichts getan, gar nichts. Ich habe den Hund nicht mal berührt.«
Damit hatte ich Indra Shamrock nicht zufriedengestellt. Unwillig schüttelte er den Kopf. Es war ihm auch egal, ob uns irgendwelche Zuschauer zusahen oder nicht. »Seit er dich gesehen hat, reagiert er anders. So kenne ich ihn nicht.«
»Fragen Sie ihn doch, was mit ihm los ist. Wenn er wirklich ein Wunderhund ist, wird er Ihnen schon die richtige Antwort geben.«
Der Mann hob die rechte Hand. Er ballte sie im Zeitlupentempo zur Faust, und er machte den Eindruck, als wollte er sie mir jeden Moment ins Gesicht rammen. Aber er beherrschte sich und ließ den Arm wieder sinken, wobei er scharf durch die Nase schnaufte. Ich wußte, daß er Probleme hatte, er kam mit mir nicht zurecht. Bisher hatten sich alle vor ihm und dem Hund gefürchtet oder zumindest einen gewissen Respekt gezeigt, nur ich verweigerte mich, und deshalb wußte er nicht, wie er mich einordnen sollte.
Aber er lächelte, spielte hervorragend Theater. »Gut, mein Freund. Helen hat dich auserwählt. Ich will mich nicht zwischen euch drängen. Ihr sollt machen, was ihr wollt.«
Die Kellnerin hatte sich in den letzten zwei Minuten still verhalten. Sie stand einfach nur neben mir, aber ihr Gesichtsausdruck hatte sich verändert. In ihren Augen schien ein Licht zu liegen, das sie aus unendlich weiter Ferne empfing. Sie lebte in ihrer Welt, die ihr durch die Hypnose nähergebracht worden war.
Meine Hand hatte sie nicht losgelassen. Sie wirkte auf die Frau wie ein Anker, und ich spürte den leichten Zug,
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