0912 - Der Hypno-Hund
Bier tranken, denn das gehörte dazu. Die Deutschen und die Belgier hatten es vorgemacht, und jetzt sollte der Bierkonsum auf der Insel so richtig in Gang gebracht werden.
Als jemand die Tür zum kleinen Konferenzraum öffnete, spürte Owens den Durchzug und drehte sich um. Eine kurzberockte Sekretärin meldete die Ankunft des Künstlers.
Owens sagte: »Sofort zu uns mit ihm!«
»Natürlich, Chef!«
Der Direktor ließ das Fenster offen und nahm wieder seinen Platz am Tisch ein. Drei angespannte Gesichter waren ihm zugewandt, und Owens nickte: »Ich denke, daß wir in einigen Minuten wissen, ob wir normal weitermachen können oder Leute entlassen müssen. Es kommt einzig und allein auf den Künstler an. Er hat sich selbst angeboten, die Dinge ins Rollen zu bringen, und ich will jetzt, daß wir auch fahren, und zwar so schnell wie möglich.«
Drei Männer nickten.
Sie warteten. Die hereinströmende warme Luft tat ihnen gut. Owens saß so, daß er seinen Blick auf die Tür richten konnte, die plötzlich aufgestoßen wurde. Niemand hatte zuvor geklopft, das tat der Künstler nie, er war sich seiner Sache sowieso sicher, und er wußte auch, was er wert war. Niemand nahm ihm so etwas übel. Er paßte in die Szene, denn ein Mensch wie er kam nicht nur einfach herein, er hatte schon seinen Auftritt, wie auch jetzt. Schwarze Hose, weißes Hemd, schwarze Weste, schwarze Haare, einen Zopf à la Lagerfeld, ein olivfarbenes Gesicht, in dem der goldene Nasenring sofort auffiel.
Das war er!
»Hi. Ihr wartet schon?«
»Ja, wie du siehst!«
»Keine Panik, Leute.« Der Künstler nahm neben dem Chef Platz. Er legte seine Utensilien auf den Tisch. Es waren eine große Präsentationsmappe und eine kleinere Tasche, doch er öffnete sie noch nicht.
»So, wie ist es gelaufen?«
Der Künstler senkte den Kopf. Er lächelte, was keinem der anderen unbedingt gefiel.
»Nichts?« fragte der Chef. Der drohende Unterton in seiner Stimme war nicht zu überhören.
Der Künstler nickte zweimal, bevor er fragte: »Kann ich mit Ihnen allein sprechen, Chef?«
Owens wunderte sich. Sein Gefühl sackte immer tiefer in den roten Bereich. »Warum?«
»Bitte!«
»Okay, gehen wir hinaus.«
»Nein, nein, Chef, das braucht nicht zu sein. Wir können hier reden, nur eben nicht am Tisch.«
»Sondern?«
»Ich liebe frische Luft. Am offenen Fenster ist es am besten. Einverstanden?«
»Warum nicht?« Owens wunderte sich bei seinem Mitarbeiter über gar nichts mehr. Er hob die Schultern und drückte sich von seinem Stuhl hoch. Gemeinsam gingen die beiden Männer zu dem offenstehenden Fenster, beobachtet von den anderen Mitarbeitern, die nicht wußten, wie sie sich verhalten sollten. Sie schauten sich nur ratlos an und hoben verlegen die Schultern.
Neben dem Fenster blieben Owens und der Künstler stehen. Sie schauten nicht hinaus, sondern standen sich gegenüber, und Owens, der nicht mehr länger warten wollte, nickte seinem Mitarbeiter zu. »Los, was haben Sie erreicht? Reden Sie!«
»Sofort.« Der Künstler drehte sich dem offenen Fenster zu. Er blickte über die Dächer der zahlreichen Bauten hinweg. Er sah auch den Hafen, sagte etwas, aber so leise, daß Owens es nicht verstand.
»Was meinten Sie?«
Der Künstler trat näher an seinen Chef heran. Beide standen sich jetzt gegenüber.
Da griff der Künstler zu.
Er tat es so schnell, daß Owens davon überrascht wurde und sich auch deshalb nicht hatte darauf einstellen können. Auf seinem Gesicht zeichnete sich für einen Moment Überraschung ab, als er in die Höhe gehoben wurde und seine Füße den Kontakt mit dem Boden verloren.
»Was soll das?«
Der Künstler lachte nur. Es war ein häßliches Lachen, das Owens auch warnte, und auf seinem Gesicht zeichnete sich die Panik ab. Er hatte in diesem Augenblick begriffen, was dieser Künstler wollte. Das Nein brachte er nicht mehr hervor, denn da war er bereits nach hinten gestoßen worden.
Er spürte noch die Kante der schmalen Fensterbank an seinem Rücken, dann war es vorbei, denn Owens kippte urplötzlich nach hinten weg und fiel aus dem Fenster.
Ein leiser Schrei war noch zu hören, dann wurde er vom Wind weggeweht.
Es gab Owens nicht mehr. Die drei am Tisch sitzenden Männer hätten es wissen und entsprechend reagieren müssen. Doch sie hockten da und taten nichts. Der Schreck und der Schock hatten sie gelähmt.
Darauf war der Künstler vorbereitet gewesen. Er war der einzige, der sich bewegte, und er hatte alles wunderbar geplant.
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