0916 - Zamorras größter Schock
ihnen fürchtete. Vor denen aus Fleisch und Blut auf jeden Fall. Erträglich waren sie für ihn nur, wenn sie aus digitalen Bildpunkten bestanden. Und wenn sie dann noch Teil eines Computerspiels waren, fand er sie sogar richtiggehend attraktiv.
Der einzige Mensch, zu dem er in letzter Zeit so etwas wie eine Beziehung aufgebaut hatte, war der kleine Serhat. Der sechsjährige Junge, der in der Türkei neben seinen erschossenen Eltern gefunden worden war, lebte seit einem Jahr im no tears und war still und in sich gekehrt. Millisan Tull, der pädagogischen Leitung der Einrichtung, war es nicht gelungen, Serhats Interesse an seiner Umwelt zu wecken. Aber Kreis. Denn wie er sprach Serhat auf Computerspiele an, war geradezu verrückt nach ihnen. Vor allem die Spiele, in denen wild geschossen wurde, bevorzugte er vor allen anderen. Darüber war Millisan Tull mehr als nur entsetzt. Aber sie hatte Serhat und Kreis gewähren lassen, denn während der Spiele war es möglich, durch Serhats Panzer durchzukommen und erste kleine Gespräche mit ihm zu führen. Auf Englisch! Wieso das möglich war, wusste niemand, denn Serhats Familie stammte aus dem tiefsten Anatolien und hatte kein Wort Englisch gesprochen. Hatte sich der Junge die Sprache etwa in der kurzen Zeit, in der er im Waisenhaus war, alleine durch Hören angeeignet? Dann musste er ein Genie sein.
Doch das schien jetzt weniger wichtig. Steve Kreis war beim Spielen von »Shootout«, auf geheime Dateien gestoßen, die irgendwelche seltsamen Nachrichten enthielten. Er war fasziniert gewesen, hatte dem Ganzen aber keine weitere Bedeutung beigemessen. Doch kurze Zeit später war Artimus van Zant, einer der Gründer von no tears , ziemlich aufgeregt bei ihm erschienen und hatte alles über diese Dateien wissen wollen. Und es gab nur eine Möglichkeit, wie van Zant das erfahren haben konnte: Serhat!
Denn der Junge war der Einzige, dem er davon erzählt hatte.
Vor allem zwei Schlüsselworte schienen es zu sein, die die Aufregung van Zants ausgelöst hatten. Beziehungsweise ein Wort und ein Zeichen. Das Wort hieß Ewige. Und bei dem Zeichen handelte es sich um eine liegende Acht.
Schon bald war sich Kreis darüber im Klaren, dass er hier in ein Wespennest gestochen hatte. Denn er hatte den Auftrag bekommen, die zahlreichen Unterdateien, die es gab, ebenfalls zu entschlüsseln. Bei einigen hatte es auf Anhieb geklappt und so hatte van Zant einen Namen erfahren, der ihn förmlich elektrisierte. Yared Salem, wer immer das auch sein mochte. Der neue Erhabene der Ewigen, hatte van Zant erklärt, aber mit diesem Mist konnte Kreis nur wenig anfangen. Wenn er richtig verstanden hatte, handelte es sich bei den Ewigen um eine Verbrecherorganisation, die das Computerspiel zur Nachrichtenübermittlung benutzte. Und weil diese Nachrichten anscheinend enorm wichtig für Tendyke Industries waren, hatte er dem Big Boss Robert Tendyke vorgestellt werden sollen. Tendyke, der Mitbegründer von no tears , hätte darüber entscheiden sollen, was mit dem Wissen aus den Dateien zu tun war und ob er, Kreis, weiter entschlüsseln sollte.
Hätte. Denn dazu war es nicht mehr gekommen. Dass die ganze Scheiße hoch gefährlich war, das wusste Kreis jetzt genau. Zuerst hatte er es ja nicht glauben wollen und etwas von oben herab gelächelt, als ihn der Sicherheitsdienst der T.I. im firmeneigenen Hotel Minerva untergebracht und ihn dort bewacht hatte. Doch dann, kurz vor dem Treffen mit Tendyke, war plötzlich eine betörend schöne Frau erschienen, die - und das hatte dem Ganzen die Krone aufgesetzt - genau wie die Frau in dem Computerspiel aussah, das er zuvor gespielt hatte. Und genau wie in seinen Computerspielen hatte sie über seltsame Kräfte verfügt. Völlig abartig! Denn sie konnte silberne Blitze aus den Fingerspitzen verschießen. Einer hatte ihn getroffen und ihn betäubt. Und jetzt war er hier erwacht!
Anscheinend hatte die Fremde im roten Overall, die sich Shy genannt hatte, ihr Ziel erreicht. Denn sie hatte ihn entführen wollen. Weder dieser Taran, der urplötzlich aufgetaucht war, noch die anstürmenden Sicherheitsmänner hatten es schlussendlich verhindern können.
Wo war Shy?
Als hätte sie diesen Gedanken lesen können, trat sie hinter einem Felsvorsprung hervor. Dominant stand sie vor ihm, breitbeinig, die Hände in die Hüften gestemmt. Die großen Brüste quollen fast aus dem Ausschnitt, der mehr offen ließ als bedeckte.
Aber Kreis achtete nicht darauf. Nicht jetzt. Shys Pose
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