0917 - Das Totenfest
sehen.«
»Ja, natürlich.« Er ließ die restlichen Stufen hinter sich und blieb auf dem unebenen Boden stehen.
Es fiel ihm schwer, zu glauben, daß er sich noch in London befand. Auf ihn machte diese Werkstatt den Eindruck, als würde sie irgendwo liegen. In einer alten Höhle, in einem Stollen auf einer einsamen Insel.
Hammer breitete die Arme aus. »Das ist mein Reich. Schauen Sie sich nur um.«
»Bemerkenswert. Eine Werkstatt wie in einem Museum. Man hat mir nicht zuviel versprochen.«
»Kann sein.« Hammer schaute seinen Besucher lauernd an. »Sie sprachen von Kerzen, die Sie bestellen möchten. Bisher haben Sie es spannend gemacht. Jetzt sind wir tatsächlich unter uns. Sagen Sie, was Sie haben möchten.«
»Gern. Wie schon erwähnt, ich bin immer auf der Suche nach etwas Besonderem. In allem eigentlich, aber ich würde die Kerzen gern aus einem bestimmten Material hergestellt bekommen - aus Leichenfett, Mr. Hammer, nicht mehr und nicht weniger…«
***
Lee Hammer stand unbeweglich. Es war ihm nicht anzusehen, ob er sich überrascht zeigte, böse war oder erschreckt. Er war einfach nur nicht in der Lage, irgend etwas zu sagen, sondern schaute Suko grinsend an, und in seinen Augen schienen Funken zu tanzen, so amüsierte er sich über Sukos Wunsch.
»Leichenfett, sagten Sie?«
»Genau.«
»Das ist wirklich etwas Besonderes.«
»Deshalb kam ich zu Ihnen.«
Lee Hammer rieb seine Hände. »Haben Sie sich schon einmal darüber Gedanken gemacht, woher ich dieses Fett bekomme?«
»Nein.«
»Es ist Ihnen auch nicht in den Sinn gekommen, daß so etwas unmöglich ist?«
»Stimmt.«
»Sie müssen verdammt viel Vertrauen haben, Suko. Das hätte ich nicht gedacht.«
Der Inspektor winkte ab. »Sagen wir so, Mr. Hammer, ich bin nun mal gut informiert.«
»Deshalb glauben Sie, daß ich Kerzen aus Leichenfett herstelle, sagen wir mal.«
»Genau.«
»Und woher sollte ich das Material nehmen?«
»Ist nicht das Problem des Kunden.«
Hammer lachte, stimmte Suko aber zu. »Wo Sie recht haben, da haben Sie recht. Es wäre auch mein Problem, aber wie käme ich dazu, Kerzen aus Leichenfett herzustellen? Dazu bräuchte ich Leichen, Tote. Schauen Sie sich um. Sehen Sie welche?«
»Nein.«
»Eben.«
»Ich will Ihnen nicht zu nahe treten, Mr. Hammer, aber Tote oder Leichen kann man auch verstecken.«
»Auf Friedhöfen?«
»Auch.«
»Bleiben wir beim Thema, Suko. Sie sind also zu mir gekommen, weil Sie Kerzen möchten, die eben aus diesem besonderen Material hergestellt wurden.«
»Richtig.«
»Und Sie glauben, daß so etwas geht?«
»Wäre ich sonst bei Ihnen?«
»Das hat nichts zu sagen, Suko. Haben Sie diese Kerzen aus Leichenfett schon gesehen? Wissen Sie denn, ob es derartige Kerzen überhaupt gibt?«
»Sonst wäre ich nicht hier.«
»Wo sahen Sie die Kerzen?«
Suko gab eine ausweichende Antwort. »Ich habe sehr viele gesehen. Eingepackt in Kartons, die übereinander gestapelt standen. Das Versteck war sehr gut gewählt, es ist durch einen Zufall aufgeflogen. Ich hatte das Glück, einen Blick hineinwerfen zu können und muß sagen, daß ich sehr beeindruckt gewesen bin. Ich habe schon immer danach gesucht. Über Jahre hinweg.«
»Was wollen Sie mit Kerzen aus Leichenfett?«
»Ich brauche sie.«
Der Mann lachte scharf und schallend. »Eigentlich reichen normale Kerzen. Warum müssen es gerade welche aus einer anderen Masse als Wachs sein?«
»Sehr einfach. Ich brauche sie für bestimmte Beschwörungen, für gewisse Rituale, die geheim sind. Nur wenigen sind sie bekannt. Ich gehöre dazu…«
»Was wollen Sie tun?«
»Das ist mein Problem«, erwiderte Suko. »Besorgen Sie mir die Kerzen, alles andere übernehme ich.«
Für einen Moment leuchtete es in den Augen des Mannes auf. »Und wer besorgt Ihnen die Leichen? Sie sind schließlich das Wichtigste. Haben Sie daran schon einmal gedacht?«
»Natürlich.«
»Und?«
»Auch Sie!«
»Ich?« Hammer wies gegen seine Brust und lachte. »Ich soll Ihnen die Leichen besorgen?« Er mußte wieder lachen. »Wie haben Sie sich das denn vorgestellt? Glauben Sie überhaupt, daß ich dazu in der Lage bin? Nein, da haben Sie sich wohl geirrt. Das schaffe ich nicht. Woher soll ich die Toten nehmen? Zu einem Friedhof gehen und Gräber auf buddeln?«
»Das wäre zwar üblich, doch es würde auffallen. Deshalb kann man es vergessen.«
»Eben.«
»Dann machen Sie es doch so wie immer!« sagte Suko.
Hammer schüttelte den Kopf und zog die Augenbrauen zusammen.
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